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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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geleitet, rutschte Konrad jetzt vom Rücken seines Pferdes herab und ging vor dem schlicht gewandeten Mann zu Boden. Den Kopf geneigt, hielt er zum Zeichen der Demut die rechte Hand an der Stirn, während sich sein Ellbogen auf dem rechten, angewinkelten Knie abstützte. Es war eine edle Geste und damit ungewöhnlich für einen solch verwahrlosten Reiter einer klapprigen Schindmähre, dem man gewiss nicht zugetraut hätte, jemals zuvor in seinem elenden Leben einer solch hochgestellten Persönlichkeit begegnet zu sein, vor der eine derart gekonnte Verbeugung hätte vollzogen werden müssen.
    Der Pilger stutzte, und auch Crispin konnte sich das eigentümliche Verhalten des Freundes nicht erklären: Hatte Konrad im Kerker des Grafen von Topfen etwa seinen Verstand eingebüßt? Warum erwies er einem einfachen Wanderer eine solche Ehrerbietung?
    Doch mit den ersten Worten des Pilgers fiel es auch Crispin wie Schuppen von den Augen, denn auch er war dem jungen König noch zu Lebzeiten des alten, blinden Johann von Böhmen, seines Vaters, begegnet. Nur hatte, anders als der abenteuerlustige Haudegen Johann, dessen sehr viel ruhigerer, besonnener, wenig kampffreudiger Sohn Karl keinen bleibenden Eindruck bei Crispin hinterlassen.
    » Nun, offenbar habt Ihr mich enttarnt « , sagte Karl, an Konrad gewandt. » Sagt mir, meine Lebensretter, wo wir uns schon einmal begegnet sind? Auch ich kenne Eure Gesichter, kann sie aber nicht zuordnen. «
    Jetzt stieg auch Crispin von seinem müden Pferd herab und verneigte sich in gleicher Manier vor dem König. Es war ihm äußerst unangenehm, ihn nicht sogleich erkannt, ja, sogar mit seinem Schwert nach ihm ausgeholt zu haben.
    » Ihr seid durch mein Dorf in Mähren gezogen, mein König. Dort haben mein Gefährte und ich Euch einst gesehen, und hier, an diesem Ort, trotz Eurer Pilgergewandung gleich wiedererkannt « , log Konrad, bevor Crispin seinen sehr viel ehrlicheren Mund auftun konnte, um womöglich die Wahrheit zu sagen, welche durchaus fatal hätte sein können. Denn Graf von Topfen, ob er nun tot war oder nicht, galt als äußerst einflussreich und besonders in Anbetracht der Thronstreitigkeiten, welche nach wie vor die großen Geschlechter des Reiches in unterschiedliche, aber dennoch stets wechselnde Lager spalteten, wäre es wenig klug gewesen, sich als der gesuchte Feind eines womöglich wichtigen Verbündeten des Königs zu erkennen zu geben.
    » Wo in Böhmen liegt Euer Dorf? « , fragte Karl nun und wies beide Männer mit einer Kopfbewegung an, sich nun aus dem Straßenschlamm erheben zu dürfen.
    » Im Altvatergebirge, nahe der schlesischen Grenze. «
    » Nun, ein Gebiet, welches dank des im letzten Jahre geschlossenen Vertrages zu Namslau jetzt voll und ganz der böhmischen Krone zugeschrieben werden darf. Gab es darum doch lange Zeit sogar blutige Streitigkeiten mit dem polnischen König. Ihr kommt also aus einer befriedeten, ruhigen Gegend. Was treibt Euch dann ausgerechnet hierher in den Westen, wo die Pest so arg zu wüten beginnt? «
    Der König war offenbar sehr an seinen Lebensrettern interessiert, die nun in arge Bedrängnis gerieten, denn wohl war Konrad ganz und gar nicht dabei, den Herrscher des Reiches anzulügen. Ein Herrscher, der jedoch nicht von jedermann und erst recht nicht von vielen Großen im Reich als ihr Gebieter anerkannt wurde. Der Luxemburger, welcher in Paris aufgewachsen war und über Böhmen regierte, hatte sich bislang als äußerst papsttreu erwiesen und galt als den deutschen Interessen wenig zugetan. So wunderte es auch nicht, dass erst kürzlich von einem Teil der Kurfürsten ein Gegenkönig erhoben worden war– Günther von Schwarzburg–, gegen den der nur wenig kampflustige Karl jetzt in den Krieg zu ziehen gedachte und deshalb ein Heer in der Gegend von Worms und Speyer zusammenrief.
    Wie es sein konnte, dass er unter diesen heiklen Umständen noch die Muße besaß, im Pilgergewand an der Donau herumzustreifen, dazu ohne Leibwache, allein in Begleitung eines einzigen, wenig wehrhaften Mannes, war Konrad vollkommen schleierhaft. Dennoch tröstete ihn diese Tatsache, denn immerhin zog selbst der König es in diesen Tagen vor, sich zu verkleiden und als jemand anderen auszugeben, als er war. Also würde es auch einem flüchtigen Kreuzritter verziehen sein, wenn er, um sein Leben zu retten, zu einer Notlüge griff:
    » Mein Begleiter und ich, wir haben eine Wallfahrt hinter uns. In der alten Stadt Trier waren wir, um die Reliquien des

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