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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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duftenden Kringel und Krapfen in seiner Nähe nicht mehr ganz so unerreichbar.
    Und dann war es wieder da, das neugierige, ewig suchende, stets aufgeschlossene und erwartungsfrohe Gesicht des Bauernburschen, dem nach Abfall von Müdigkeit und Trübsal plötzlich sogar die Geschichte des Helmbrecht gar nicht mehr so übel erschien. Einen mutigen Abenteuer sah er nun in dem tragischen Helden, einen, der es gewagt hatte, neue Wege zu beschreiten. So wie auch er es nun tat.
    » Vielleicht habe ich mich in dir getäuscht, Regino von Bunseborn « , sagte er zu sich selbst, zog sich seinerseits die Kappe von seinem blonden Schopfe und sprang von seinem Fischfass auf, um sich galant vor einer schönen Bürgersfrau und deren kichernder Magd zu verneigen, die ihn, Johann, den in ein fernes Land ziehenden Abenteurer, soeben passierten.
    » So wird es auf unserer weiten Reise immerzu sein « , prahlte Regino. Er stand auf einem Tisch, inmitten eines unmittelbar an der Weser gelegenen, recht schäbigen, aber gut besuchten Wirtshauses, hielt die lachende Lisa im einen und die ein wenig beschämt dreinschauende Anna im anderen Arm und ließ sich von seiner Gefolgsschar feiern. Auch Johann war nach wie vor guter Laune, bereits drei Krüge Bier hatte er geleert, ein Topf voll dampfenden Krauts und frischer Würste stand vor ihnen, die Tochter des Wirts trug ein wunderbares Kleid, das mehr offenbarte als verhüllte, und für die kommende Nacht waren ihnen allen Lager auf den umstehenden Bänken der Gaststube versprochen worden.
    Ja, so durfte es weitergehen. So gefiel das Leben. So blickte man den kommenden Etappen der Reise– von der sie alle nicht ahnten, wie weit sie sein würde, geschweige denn, wohin sie führte– wieder mit Zuversicht, ja sogar mit Vorfreude entgegen. Alle Unbilden, alle Bedenken, alles Misstrauen waren mit einem Schlag verflogen.
    Heillos betrunken waren sie allesamt, selbst die beiden Mädchen, als– es musste gegen Mitternacht gehen– ein weiteres, vertrautes Gesicht zu ihnen stieß.
    Johann wunderte sich nicht über Maries Erscheinen. Er war so berauscht, dass er ihre Anwesenheit als selbstverständlich hinnahm, freundschaftlich den Arm um sie legte und die hübsche Wirtstochter mit einem Fingerzeig dazu aufforderte, Marie ebenfalls einen Krug Bier zu bringen.
    » Wo ist Ulrich? Muss er austreten? « , lallte er ihr zu.
    » Ulrich wird nicht mit uns kommen « , antwortete sie leise. Johann schien gar nicht verstanden zu haben, er nickte nur freudig und nahm von der Wirtin das Bier entgegen, welches er Marie sofort in die Hand drückte, um ihr dann zuzutrinken.
    Für Marie war es nicht schwierig gewesen, Regino von Bunseborn und die ihm folgenden jungen Dörfler in der Stadt an der Weser ausfindig zu machen. Egal wo er sich zeigte, der Pfeifer war sogleich bekannt wie ein bunter Hund, und man brauchte nicht mehr als einen Menschen zu fragen, um herauszufinden, in welcher Herberge der Lokator des Böhmenkönigs samt Gefolgsleuten untergekommen war.
    Für Marie war der Besuch einer fremden Stadt nichts Ungewöhnliches. Über viele Jahre hinweg hatte sie das Leben einer fahrenden Frau geführt, sie scheute sich deshalb nicht, allein den Weg an einen weit entfernten Ort wie Höxter anzutreten, sie wusste, wie man die Wächter der Stadttore geschickt umgehen konnte, und es kratzte auch nicht an ihrem Ehrgefühl, ohne Begleitung eine Spelunke zu betreten. Sie kannte es nicht anders, hatte es von dem Mann, den sie vor wenigen Stunden nach mehr als einem Jahr wiedergesehen hatte, gelernt. Und um ihm nie wieder zu begegnen, war sie nun hier. Es behagte ihr nicht, nun mit Johann und den anderen trunkenen jungen Menschen zu hüpfen und zu singen. Vielmehr hielt sie nach Regino Ausschau, mit welchem sie zu reden hatte und den sie, so hoffte sie, nüchterner antreffen würde als Johann und den Rest der Schar.
    » Wo ist der Lokator? « , rief sie Lisa ins Ohr, die trotz des reichlich genossenen Biers dennoch ihre Abneigung gegen die sonderbare Frau des Bauern Filzhut nicht vergessen hatte.
    » Austreten « , brummte diese unwillig und stieß Anna, welche neben ihr hockte, einen Ellenbogen in die Seite. Doch diese wandte einfach den Blick ab und gab Marie damit zu verstehen, dass sie nichts mit ihr zu tun haben wolle.
    Marie zuckte ein wenig traurig mit den Schultern. Was soll’s, dachte sie. Immerhin war sie nichts anderes gewohnt.
    Und da kam er auch schon– der Lokator. Wackeren, nicht wankenden Schrittes

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