Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
lästige, zahnlose Kauen sparen konnte.
» Einen von den Rittern, die deinen schlafenden Kaiser ins Heilige Land begleitet haben. «
» Hier? « Nun war es an Maja, sich verwirrt im Raume umzuschauen. Marie genoss diesen Moment, sie musste lachen. Es geschah der Alten ganz recht, dass es jetzt sie war, die mit verklausulierten Worten an der Nase herumgeführt wurde.
» Ein schwarzes Kreuz trug er, ganz so, wie du es in deinem Traum gesehen hast. «
Marie hatte diesen Satz ohne ernsthaften Hintergedanken ausgesprochen, sie wollte das Mütterchen lediglich ein wenig ärgern. Doch Maja wurde mit einem Male ganz blass und sagte gar nichts mehr.
» Ein Ordensritter? « , kam nun die Frage von Maries anderer Seite. Es war die junge Adelheid. Sie schien aus ihrem seltsam entrückten Zustand erwacht zu sein und starrte Marie nun mit großen Augen an.
» Ja. In einem Wäldchen nahe Quedlinburg war es. Vier an der Zahl waren sie. Ihr, Adelheid, habt zu dem Zeitpunkt zusammen mit Fräulein Elisabeth in den Säcken gesteckt, die auf das Eselchen gebunden waren. «
Marie hätte nicht gedacht, dass die Erwähnung ihrer Begegnung mit einem Ritter des Deutschen Ordens so viel Schrecken auslösen würde. Denn schrecklich, das musste sie auch noch im Nachhinein zugeben, war dieser Mann gar nicht anzuschauen gewesen. Ganz im Gegenteil…
» Mein Bruder « , stieß nun Adelheid hervor, sprang mit einem Satz auf und stürzte hinaus in den Nieselregen. Die verdutzte Marie wollte ihr zunächst folgen, doch das übernahm bereits Johann für sie. Er hatte das Mädchen keinen Moment lang aus den Augen gelassen und lief ihr nun mit raschen Schritten hinterher. Auch Elisabeth, nach dem Reigen mit Regino nun völlig außer Atem, ging den beiden kopfschüttelnd nach.
» Als Anstandsdame « , rief sie keck dem verschwitzten Regino zu, welcher sich nun neben Marie ans Feuer setzte.
Maja hingegen war aufgestanden. Marie sah bloß noch, wie ihr kleiner, schmächtiger Schatten erneut in den hinteren Gängen der Höhle verschwand.
» Seltsam ist das alles « , meinte Marie, nun an Regino gewandt, der sich jetzt begierig daranmachte, Majas soeben geknackten Vorrat an Haselnüssen zu verschlingen.
» Seltsam, aber schön. Das Gewöhnliche– machen wir uns doch nichts vor, Marie–, das Gewöhnliche, es entbehrt doch jeglichen Reizes « , gab er zurück, ohne zu wissen, was genau Marie gemeint hatte. » Ich bin sehr froh, dass die zarten Jungfrauen nun bei uns sind « , sagte er dann leise.
Marie nickte schmunzelnd.
» Weißt du, anfangs dachte ich, sie könnten ein Hemmnis darstellen. Ich war tatsächlich gewillt, sie so rasch wie möglich wieder loszuwerden. Nun aber glaube ich, sie könnten der Schlüssel zu einer neuen Welt sein « , fuhr Regino fort, davon ausgehend, dass Marie ihm lauschte.
» Wie meinst du das? «
» Das ist nur so ein Gefühl. Ein gutes Gefühl ist es, Marie, ein sehr gutes. Man sollte stets dem trauen, was das Herz rät. Und mein Herz rät mir: Sei ein Hirte, Regino. Gib acht auf deine Herde und sieh zu, dass kein böser Wolf kommt und dir eines deiner Schäfchen stiehlt. Nun habe ich zwei äußerst prächtige neue Lämmer hinzubekommen, auch sie soll mir kein Raubtier nehmen. Dafür werde ich kämpfen. «
» Aha. « Das war alles, was Marie dazu sagte, während sie weiter Nüsse knackte, die sofort von dem plaudernden Pfeifer zwischen seine großen, gesunden Zähne geschoben wurden.
» Nun, du bist auch eines meiner wertvolleren Schafe, Marie. Vielleicht weißt du das nicht, aber es ist so. Auf dich, meine Liebe, muss ich ein besonderes Augenmerk richten, und schon manches Mal habe ich den Wolf verscheucht, der bereits seine Fänge nach dir ausgestreckt hatte, ohne dass du etwas davon bemerkt hattest. «
Marie hielt jetzt in ihrem Tun inne.
» Du sprichst von dem Wegelagerer am Harzhorn, nicht wahr? «
» Das war nichts weiter als ein tumber, zahnloser Bär im Vergleich zu dem verschlagenen Wolf, den ich meine. «
» Wer ist der Wolf? « Marie fürchtete sich vor der Antwort, denn sie glaubte sie zu kennen.
» Ach, Mariechen. Mach dir nicht immerzu Sorgen. Sie graben sich bloß ein, man sieht sie bereits in deinem Gesicht. « Und damit deutete er auf die Stelle zwischen Maries Augenbrauen. Unwillkürlich fasste sie dorthin, um zu fühlen, was dort sei, konnte aber nichts Ungewöhnliches ertasten.
» Ich habe dich gern « , plauderte er nun weiter. » Und wenn Regino jemanden gern hat, dann findet er
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