Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Haaren, ihrer Haut, ihren Kleidern und ihrer Lunge eingenistet hatte. Konrad konnte sich das nach wie vor nicht vorstellen, war aber– aufgrund seines ihn quälenden Gewissens– endlich geneigt, den mitunter seltsamen Ratschlägen des Freundes zu folgen. So meinte Crispin, es sei in ihrer Situation angebracht, sich von Mensch und Vieh fernzuhalten, niemandem zu nahe zu treten und öffentliche Orte zu meiden, auch die zahllosen Ordenshäuser in dieser Gegend durften nicht aufgesucht werden. Wie Lepröse seien sie, so lauteten seine hoffnungslosen Worte. Im Grunde müssten sie sich Schellen anhängen, damit alle Menschen bereits von Weitem gewarnt seien, dass sich Aussätzige näherten. Er hatte versucht, Konrad davon zu überzeugen, seine Mission die Schwester Friedrichs betreffend aufzugeben, denn das brächte ansonsten womöglich solche in Gefahr, die es eigentlich zu beschützen galt. Doch dieser Versuch war vergeblich gewesen und Crispin immerhin froh, dass der sture Freund wenigstens eingesehen hatte, einige kleine Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, bevor er sich von ihrem menschenfernen Lager in einem Holzschober auf in die Stadt machte, um seinen außergewöhnlichen Auftrag zu erfüllen.
Nach langen Diskussionen mit der missmutigen Pförtnerin, die ihn angesehen hatte, als handele es sich bei ihm um einen widerwärtigen Lüstling, hatte Konrad schließlich das geschützte Damenstift betreten dürfen und eine Audienz bei der Äbtissin erhalten. Dort jedoch war ihm die Hiobsbotschaft zuteil geworden, dass ebendas Mädchen, welches es zu beschützen galt, zwei Nächte zuvor verschwunden sei.
» Aus der Stadt erreichte uns am heutigen Morgen die Nachricht, man vermute, ein bunter Possenreißer stehe hinter dieser Entführung « , so die strenge Ordensfrau, deren musternde Augen nicht für eine Sekunde von dem vor ihr stehenden kalkbeschmierten Mann gewichen waren.
» Ein bunter Possenreißer? «
» Ja, er soll auf dem Markt gottlose Wahrsagekünste dargeboten haben, aber mittlerweile Richtung Osten weitergezogen sein. Wir erhielten diesen Hinweis von einem verwahrlosten Manne, der nahe der Stadtmauer liederliche Unterkünfte vermietet. Man weiß also nicht, ob es wahr ist, dennoch gab ich dem besorgten Vater bereits durch einen Eilboten Bescheid. «
Konrad hatte eine ganze Weile ratlos dagestanden.
Adelheid hatte ihr Schicksal also selbst in die Hand genommen.
Oder war sie gar gegen ihren Willen entführt worden?
Er würde es herausfinden müssen.
Er schüttelte sich, um wieder zu klaren Gedanken zu kommen, und sagte dann mit fester Stimme:
» Wenn der Vater mit seinem Gefolge hier eintrifft, so müsst Ihr ihm eine weitere traurige Kunde mitteilen. Sein Sohn Friedrich… wie soll ich sagen… er ist auf dem Weg von Italien an der Pest verstorben. «
» Oh, großer Vater im Himmel « , stammelte die Äbtissin und bekreuzigte sich bestürzt, während Konrad sich zum Abschied tief vor der zierlichen, runzeligen Frau verneigte. In der Türe drehte er sich jedoch noch einmal um und sagte: » Verbarrikadiert Euch gut in den nächsten Monaten, Mutter Äbtissin. Die Pest, so steht zu befürchten, könnte auch Einzug in die deutschen Lande halten. Sie hat bereits Italien durchquert. «
Das war am gestrigen Tage gewesen.
Und am heutigen Tage hatte das mysteriöse Sterben erneut ein Opfer nördlich der Alpen gefunden. Doch noch immer wollte Konrad nicht einsehen, dass sie es waren, die dieses Übel mit sich führten, und glaubte inständig an einen unglücklichen Zufall, der nun auch den guten, tapferen Bertold vor den Toren Quedlinburgs an der Messinischen Pest hatte sterben lassen. Er hoffte inständig, ihr persönliches Leid habe mit diesem herben Verlust nun ein Ende gefunden.
Als Crispin und Walter die Gebete für den Verstorbenen beendet hatten und sich zu ihren Pferden begaben, war es für Konrad an der Zeit, sich von seinen beiden Mitbrüdern zu verabschieden. Allein wollte er weiterziehen, um nach dem verschwundenen Mädchen zu suchen.
» Vielleicht ist es besser so « , sah auch Crispin ein, der nur zu gut wusste, dass Konrads Rückkehr zur Marienburg nicht unbedingt unter einem guten Stern stehen könnte, da nach wie vor das ungelöste Rätsel um den verschollenen Hochadelsspross von Topfen über ihm schwebte. » Bislang hat es keinen Umweg für uns dargestellt, dich auf deiner Rettungsmission zu begleiten. Immerhin liegt Quedlinburg auf dem Weg zu unserem Ziel. Doch nun… «
» Nun geht es für
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