Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
stets Mittel und Wege, behilflich zu sein. Der ganzen lieben Welt zum Wohlgefallen, ja, das ist mein Leitspruch. Damit lebt es sich leicht, damit macht man sich keine Feinde, damit erspart man sich und anderen Enttäuschungen. Allein, mitunter wird es ratsam, sich ab und an möglichst unauffällig aus dem Staube zu machen. Doch auch das tut keinem weh. Ein wenig Staub, was kann der schaden? «
» Und wer ist nun der Wolf? «
» Lass den Wolf nur meine Sorge sein. Bleib dumm, mein Kind, dann wird dir nichts widerfahren « , antwortete er frivol und hielt bereits wieder Ausschau nach den beiden Stiftsfräulein, die noch nicht von ihrem gemeinsamen Ausflug mit Johann zum Rastplatz zurückgekehrt waren.
» Wo bleiben die lieblichen Damen nur? Der junge Johann wird doch keinen Unfug mit ihnen treiben? Komm, Marie, wir werden sie suchen gehen. «
Damit nahm er Marie an der Hand, zog sie von ihrem aus einem Baumstamm bestehenden Sitzplatz hoch, und dann ging es gemeinsam in den Wald.
» Na, das ist ja ein buntes Durcheinander « , sagte Lisa, den beiden hinterherblickend.
» Zuerst Marie und Johann, dann Johann und die beiden Edelnonnen, und jetzt Marie und Regino. Bäumchen wechsle dich, nennt man das « , bestätigte Anna, während sie damit beschäftigt war, einen löchrigen Umhang zu stopfen.
» Wenn ihr wollt, können wir auch so etwas machen. Ich meine das Wechselspielchen « , grinste nun Otto von der Seite, woraufhin er sogleich vom langen Josef einen Klaps an den Hinterkopf erhielt.
» Kein Wunder, dass der Steinwinkel dich ständig windelweich geklopft und im Schweinestall hat schlafen lassen, du Stinker « , schimpfte dieser, woraufhin Wilhelm breit grinste.
» Ihr habt gut lachen « , meinte Otto unbeirrt. » Denkt ihr, ich höre nicht, was ihr des Nachts mit Lisa und Anna anstellt? Da kann man schon mal neidisch werden. Bin halt kein solcher Hosenscheißer mehr wie Gustav und Fritz. Ich weiß durchaus, wie der Hase läuft. Hoffe nur, dass man dort im Altvatergebirge auch Mädchen findet. «
» W-w-wichtiger als das ist, d-d-dass wir üb-ü-überhaupt d-d-ort ankommen. D-a-a b-b-bin ich m-mir nämlich nicht s-so s-s-sicher « , stotterte Wilhelm leise.
» Sag bitte nicht so was « , wies Anna ihren Begleiter zurecht und bekreuzigte sich mehrmals.
Die anderen nickten stumm und taten es ihr gleich.
» Marie, da bist du. « Johann hatte das Herannahen Maries und Reginos schon von Weitem bemerkt und lief nun stürmisch auf sie zu.
» Dort. « Er wies mit seinem ausgestreckten Arm auf ein Bächlein, das sich entlang eines Feldes am Waldesrand entlangschlängelte. Die beiden Mädchen Adelheid und Elisabeth hockten an diesem kleinen Wasserlauf. Sie waren über etwas gebeugt– über jemanden, von dem man nur die mit zerschlissenen, uralten Lederriemen umwickelten Füße erkennen konnte. Es waren ganz gewöhnliche Riemen, ganz gewöhnliche Füße, doch Marie erkannte sie sofort.
» Du glaubst es nicht « , rief Johann aus und lief bereits zurück zu Adelheid, Elisabeth und den am Boden liegenden Menschen.
Marie folgte ihm schnellen Schrittes.
» Wie kann das möglich sein? « , flüsterte sie.
XVII
E s war der Graumäntler Bertold Rodenbach, vierzig Sommer zählte er, den sie in einem kleinen Hain nahe Quedlinburg begraben mussten. Crispin kniete zusammen mit dem verbliebenen Sariantbruder Walter an dem frisch aufgeschütteten Grab und murmelte Gebete, während Konrad hinter ihnen stand und nicht glauben wollte, dass Crispin vermutlich recht gehabt hatte: der Pesthauch– er begleitete sie.
Wie konnte es nur sein, dass alles, aber wirklich alles aus dem Ruder lief?
Konrad erschien es wie ein Fluch, der ihnen auferlegt war und sie offenbar zu einer Irrfahrt zwingen wollte.
Es war nicht allein die Pest, sondern auch andere Unbilden, die ihn so denken ließen, nicht zuletzt die Tatsache, dass sein Besuch im Frauenstift zu Quedlinburg vollkommen fehlgeschlagen war.
Am gestrigen Tage war es gewesen.
Auf Anraten Crispins hatte Konrad zuvor widerwillig seine Kleidung und seinen Körper mit Kalk eingerieben und die ganze Zeit über auf Thymianzweigen herumgekaut, um das ihm angeblich anhaftende Unglück einzudämmen. Zu dem Zeitpunkt war Bertold bereits erkrankt, die typischen Anzeichen der Messinischen Pest hatten sich an seinem Hals und in seinen Achselhöhlen gezeigt. Crispin war sich sicher, dass es ein Wind, ein Odem, ein Dunst war, der sie seit ihrer Flucht aus Messina verfolgte und sich in ihren
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