Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
euch in den Norden und für mich in den Osten « , vervollständigte Konrad die Aussage. » Ich werde das Mädchen finden und unterbringen. Es ist meine Pflicht… «
» …und zudem ein geeigneter Vorwand, nicht allzu rasch zur Marienburg zurückkehren zu müssen « , unterbrach nun Crispin den Freund.
Konrad nickte bloß missmutig und sah zu Boden. Es hatte keinen Sinn zu widersprechen, er wusste, dass der kluge Crispin seine Ängste längst ahnte, auch wenn sie nie vertraulich darüber gesprochen hatten.
Und leise, sodass der Graumäntler Walter es nicht hörte, raunte Crispin Konrad zu: » Ich werde die Lage für dich auskundschaften und versuchen, dich ausfindig zu machen, falls es ratsam sein sollte, dass du noch länger fortbleibst. «
» Du hältst mich für feige « , gab Konrad zurück und brachte es dabei nicht fertig, dem Freund ins Gesicht zu schauen.
» Ganz und gar nicht. Im Gegenteil. « Crispin klopfte dem anderen auf die Schulter. » Was du mit diesen beiden Menschenquälern und Frauenschändern angestellt hast, war unbedacht, aber nicht unehrenhaft. Doch damit hast du dir mächtige Feinde gemacht. Es wäre dumm, sich diesen Feinden freiwillig zu stellen, wenn es ihnen zwischenzeitlich gelungen sein sollte, beim Hochmeister deinen Kopf einzufordern. «
Nun blickte Konrad doch auf. » Du meinst, das könnte geschehen sein? «
Crispin zuckte mit den Schultern. » Ich werde es herausfinden. «
» Danke. «
» Es bleibt zu hoffen, dass die Aufzeichnungen, die du während unserer Visitationen gemacht hast, lesbar und verständlich sind « , lachte Crispin nun aufmunternd. » Du weißt, ich bin ein alter Haudegen und Heiler, aber ich bin kein Ministeriale. Sollte der Hochmeister irgendetwas nicht lesen können, so werde ich kaum in der Lage sein, ihm Rede und Antwort zu stehen. Du lädst mir eine gewaltige Bürde auf, indem du mich den Vortrag über unsere Reise halten lässt. «
» Es steht alles in den Pergamenten geschrieben. Du wirst nicht reden müssen, Crispin « , beruhigte Konrad den Freund, reichte ihm dann die Zügel des Pferdes, welches die Lade trug, in der all die Schriftstücke verstaut waren, die Konrad während ihrer mehrmonatigen Reise angefertigt hatte, und verabschiedete sich schließlich von seinen beiden Mitstreitern.
» Viel Glück, meine Freunde. Kommt gut heim. Wollen wir beten, dass es nun ein Ende hat mit dem Todeshauch « , rief er noch und ritt in Richtung Osten davon, während sich Crispin und Walter traurig und schweigsam in den Norden aufmachten.
Als er die Augen aufschlug, dachte der Bauer Ulrich Filzhut, er fände sich im Himmel wieder. Für einen kurzen Moment fühlte er volle Glückseligkeit: Ganz offensichtlich war ihm nach seinem Ableben das Fegefeuer erspart geblieben, denn derartig reine, schöne Geschöpfe konnte es nur im Himmel geben. Was anderes als Engel konnten es sein, die sich da über ihn beugten und ihm aus ihren hübschen Gesichtern erleichtert und aufmunternd entgegenlächelten?
Dann jedoch spürte er den eisernen Geschmack von Blut in seinem Mund, er nahm auch die Schmerzen in seinen müden Knochen wahr, welche sich kaum bewegen ließen, und er fühlte ein dumpfes, unangenehmes Pochen in seinen geschwollenen Füßen– nein, tot war er nicht. Er war noch genauso ausgelaugt, erschöpft, geschunden und zerschlagen wie in dem Moment, als er ohnmächtig an dem kleinen Bachlauf zusammengebrochen war. Wäre er gestorben, so würde er sich doch hoffentlich nicht mehr so elend fühlen, zumindest dann nicht, wenn sich die Himmelspforten für ihn geöffnet hätten.
Etwas verwirrt hob er den Nacken an und blickte sich um. Er war im Wald. Kein Zweifel. Hier sah es nicht aus wie im Himmel, im Fegefeuer oder gar in der Hölle. Er war schlicht und einfach in einem irdischen Wald, und über ihn beugten sich nach wie vor zwei wunderschöne Engel.
Ulrich legte sich wieder hin und genoss den Augenblick. Er wollte gar nicht fragen, wer sie seien, woher sie kamen, was sie mit ihm nun zu tun trachteten, er wollte einfach nur ruhen.
» Ulrich! « , vernahm er plötzlich eine Stimme, die ihm so wohlbekannt in den Ohren klang, dass er sich erneut fragte, ob es wohl doch eine Anderswelt war, in der er sich befand.
Das konnte doch nicht ihre Stimme sein?
Hatte er sie etwa doch gefunden? Wie war das möglich?
Die beiden Engel erhoben sich nun und schwebten zur Seite, an ihrer statt beugte sich eine andere weibliche Gestalt zu ihm herunter. Sie war nicht ganz so
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