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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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sondern lediglich aufgeschoben und zudem gewürzt mit einer ordentlichen Prise Wut seitens Fips’, die er gewiss bei nächster Gelegenheit als schaurigen Schwall über den erneut ungehorsamen Regino ergießen würde. Doch was sollte Regino gegen die Eingebung aus seinem tiefsten Innern ausrichten? Von Beginn an war ihm nie recht wohl mit diesem Mann gewesen, und etwas zu tun, gegen das er innerlich zunehmend rebellierte, war nicht Reginos Art– regte sich in ihm ein derart ungutes Gefühl, so hatte er in seinem bisherigen Leben noch immer das Weite gesucht. So auch jetzt. Dennoch wollte er sich nicht ausmalen, wie Fips nun vergeblich in Aschersleben wartete und die schrecklichsten Rachepläne schmiedete.
    Das waren Reginos Gedanken, während er über die nächtliche Hochebene schritt. Marie hingegen dachte über Ulrich nach und über ihre Pflicht, diesem Menschen beizustehen. Eine Pflicht, die ihr noch vor Wochen als selbstverständlich erschien, jetzt aber lästig geworden war. Ja, der Weg hatte sie verändert. Er hatte sie zurückgebracht in ihr altes Leben– ihr Wanderleben. Die quälende Unrast war vorüber, und auch wenn die Furcht vor Fips geblieben war, so fühlte sie dennoch, dass sie jetzt, durch ihre Beweglichkeit, in der Lage sein könnte, dieser Furcht die Stirn zu bieten. Sie war nicht mehr eingesperrt in einer Bauernkate, die ihr vorübergehend Schutz geboten hatte. Sie war nun frei, frei davonzulaufen, jederzeit. Aber wie sollte sie laufen, wenn Ulrich an ihrer Seite war? Dieser allzu treue, anhängliche Ulrich?
    Ohne auf den schlammigen Untergrund zu achten, stapfte Marie durch Buschwerk und über Gesteinsbrocken. Es war eine schöne, eine ruhige Nacht, und es war angenehm, auch die summende Maja und den umherwandernden Regino in der Nähe zu wissen. Sie fühlte sich sicher. Wären da nur nicht diese Gewissensbisse gewesen.
    War sie ein schlechter Mensch, dass sie so über Ulrich dachte?
    War es sündhaft, sich den eigenen Mann fortzuwünschen?
    Ja, das war es. Es war eigennützig und kaltherzig.
    Marie ließ sich auf einem großen Stein nieder. Sie genoss es geradezu, die beißende Kälte an Beinen und Hinterteil zu spüren, und sie unternahm auch nichts gegen die Nässe, die sich durch ihre Kleider fraß. Gedankenverloren starrte sie in die Nacht und verfolgte dabei nur schemenhaft die unter dem wolkenverhangenen Vollmond einherschreitende Maja. Die dritte Wachgebliebene aus ihrer Gruppe.
    Maja ging im Kreis. Genauer genommen: Maja ging in fünf Kreisen.
    Zunächst umrundete sie das Plateau– ungeachtet des Wildwuchses– in einem weiten, ausgesprochen runden Bogen.
    Dann machte sie eine zweite, kleinere Runde.
    Der dritte Kreis, den sie abschritt, war wieder kleiner.
    So der vierte.
    Und der fünfte schließlich bildete den Kern.
    Dort verharrte sie, den Kopf in den Nacken gelegt, und drehte sich alsdann selbst im Kreise, immer die Sterne im Blick, welche sich in dieser Nacht nicht wirklich zeigen wollten. Dennoch war Maja zufrieden. Sie hatte sie gefunden, die Stätte, von der bereits ihr Vater und ihr Vatersvater gesprochen hatten. Und sie spürte sie: die Kraft, die von eben diesem Ort ausging.
    Es war eine gute Kraft, gottlos gewiss in den Augen der Geistlichen, aber dennoch gut. Eine schützende, mächtige Energie umgab diesen Ort, an dem bereits vor Tausenden von Jahren hiesige Heiden während ihrer Stammeskriege Zuflucht gesucht und gefunden hatten. Eine Zuflucht, die nicht nur durch Waffengewalt und die fünf Ringe bildenden Palisadenzäune gewahrt wurde. Nein, auch die Sterne waren diesem Ort hold. Das hatten die Ahnen gewusst, aber auch Maja spürte es, und deshalb hatte sie beschlossen, die Nacht damit zu verbringen, eben die von diesem Hügel ausgehende Kraft in sich aufzunehmen und mit sich auf den weiteren Weg zu führen. Sie würden eine solch schützende Kraft wahrlich gebrauchen können.
    » Ist sie nicht verrückt, unsere Maja? «
    Marie hatte Regino bereits sich leise nähern hören, nun setzte er sich neben sie auf den kalten Stein, und beide beobachteten die alte Frau, wie sie, seltsame Formeln murmelnd und sich um die eigene Achse drehend, im Zentrum der Kreise stand, die für Marie und Regino selbst bei Tageslicht unsichtbar gewesen wären, so lange lagen die Reste dieses Bauwerkes bereits unter Erde, Geröll und Buschwerk verborgen. » Aber eben darum liebe ich dieses greise Weib so sehr. Erfrischend, nicht wahr, Marie? «
    » Ja, erfrischend « , bestätigte Marie. Und

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