Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
gehörte. Die Sehnsucht, sie trieb mich. Hinaus wollte ich, weit hinaus über die Hügel meiner Heimat, wollte wissen, was hinter dem Horizont zu finden sei. Aber dabei spreche ich nur für mich. Andere haben andere Gründe: Josef, zum Beispiel, kann als viertgeborener Sohn nicht auf die Mühle seines Vaters hoffen. Lisa begleitet ihn, weil ihr Alter ihr unter Schlägen die Ehe mit Josef verboten hat. Auf dem Pfarrfest war das gewesen. « Johann lachte. » Das war ein Schauspiel, wie die ihren Vater angeschrien hat, und was die für Worte kennt… die dürfte ich hier vor Euch edlen Damen niemals wiederholen. «
» Tu dir keinen Zwang an. Mich interessiert so etwas « , forderte Elisabeth ihn auf, doch Johann schüttelte schelmisch den Kopf.
» Bei wem war ich stehen geblieben? « , fragte er sich selbst. » Ach ja, die beiden Schmiedejungen, das sind einfach kopflose Abenteurer. Die wissen, glaube ich, selber nicht, was sie tun. Manchmal höre ich sie des Nachts im Traume nach ihrer Mama rufen. « Er hob bedauernd die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern: » Aber wenn ich sie tagsüber darauf anspreche, dann grinsen sie bloß und sagen, ich wolle sie zum Besten halten. Wen haben wir noch? Ach ja, Anna. Nun, das ist eine üble Sache. Ihre Mutter ist im letzten Winter am Antoniusfeuer gestorben, und seither soll ihr Stiefvater… nun ja… «
» Ich kann es mir denken « , unterbrach ihn Elisabeth. » Da ist ihr wohl der Wilhelm lieber. Erzähl mir von ihm. «
» Wilhelm. Ja, der hat nichts zu verlieren, er ist ein mittelloser Tagelöhner, der im letzten Winter sogar ohne Obdach war. Hätte er nicht solch eine robuste Natur, wäre er gewiss schon längst erfroren oder verhungert. « Und etwas neidisch fügte Johann an: » Ich weiß auch nicht, wie er zu diesem mächtigen Muskelfleisch kommt. «
» Ja, das ist mir auch schon aufgefallen « , bestätigte Elisabeth und drehte sich erneut zu Wilhelm um. Es gefiel ihr, den ohnehin stets Verlegenen noch mehr zu verunsichern.
» Tja, dann ist da noch der rote Otto « , fuhr Johann derweil fort. » Der hatte es wahrlich nicht leicht als Knecht bei seinem Herrn. An seiner Stelle hätte ich es keine zwei Wochen dort ausgehalten. Immer, wenn ich ihm im Dorf begegnete, hatte er entweder ein blaues Auge, eine angeschwollene Nase, eine aufgeplatzte Lippe, oder er hinkte. «
» Das ist ja entsetzlich « , entfuhr es Adelheid leise. Anders als bei den Kommentaren Elisabeths, die Johann recht gleichmütig registriert hatte, wandte er nun sofort sein Gesicht der neben ihm Schreitenden zu und lächelte beseelt.
» Was ist mit der schönen Marie? « , funkte jetzt Elisabeth neugierig dazwischen.
» Marie… tja, Marie « , sagte Johann, nun nachdenklich werdend, » ich glaube, sie wollte bloß fort von ihrem greisen Manne. «
» Und nun ist er plötzlich aufgetaucht. So ein Pech « , kicherte Elisabeth und wandte sich jetzt nach dem ganz hinten marschierenden, ungleichen Paar um.
» Das ist nicht zum Lachen « , meldete sich wieder Adelheid leise zu Wort. » Ich glaube, sie hat ihn wirklich gern. «
» Ja, und das ist doch immerhin etwas. Du hättest deinen zukünftigen Mann nicht einmal gern haben können « , entgegnete Elisabeth, an ihre Freundin gewandt. Und zu Johann sagte sie augenzwinkernd: » Ist die Liebe nicht etwas Wunderbares? Zumindest dann, wenn sich, wie in den Liedern der Minne, die finden, die auch wirklich zusammengehören? Ach, ich glaube, Regino soll mir ein schönes Minnelied singen. Das wird mir den langweiligen Marsch erleichtern. «
Damit kicherte sie wieder frech und lief dann leichtfüßig nach vorn zu dem noch immer mit Maja plaudernden Regino; Johann und Adelheid blieben allein nebeneinander gehend zurück. Beide waren ein wenig verlegen, denn die Worte der fröhlichen Elisabeth hallten in ihren Ohren nach.
» Seid Ihr noch besorgt wegen Eures Bruders? « , unterbrach Johann schließlich das betretene Schweigen.
» Nein. Er war es gewiss nicht, den Marie gesehen hat. Es gibt zahlreiche Ordensritter, und Marie beschrieb ihn mir älter und größer, als es Friedrich ist. «
» Dann bin ich beruhigt, dass auch Ihr wieder beruhigt seid, Adelheid. Und außerdem: Selbst wenn es Euer Bruder gewesen wäre, der den Weg nach Quedlinburg gefunden hat– wer sagt denn, dass er zu Eurer Befreiung gekommen ist? Womöglich wollte er Euch abholen, um Euch zu Eurem Hochzeitsfest zu führen. «
» Nein « , gab Adelheid entschieden zurück. In ihren sonst
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