Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Gefolgschaft zu suchen? «
» Natürlich ist das kein Zufall gewesen « , gab Regino, immer kleinlauter werdend, zu.
» Ich verstehe. Er wollte mich dabeihaben, weil es noch etwas zwischen uns zu begleichen gibt. «
Regino zuckte mit den Achseln. » Ich weiß es nicht. Aber jetzt bin ich erleichtert. Jetzt weißt du von dem Pakt, den ich mit Vitus Fips eingegangen bin. «
» Was ich nicht begreife: Warum hast du mich damals gewarnt und mir geraten, besser im Dorfe zu bleiben? « Marie war ratlos. All das war doch sehr verwirrend.
» Nun, die Wege des Herrn sind mitunter verworren, und ebenso verhält es sich mit den Wegen des Regino von Bunseborn. Mitleid hatte ich. Ein ungutes Gefühl in meinem Bauche plagte mich. «
» Und das plagt dich immer noch. «
» Es ist den ganzen Weg über nicht verloren gegangen. Keinen seiner Wünsche habe ich ihm erfüllt. Kinder sollte ich ihm bringen, damit er sie an die Grubenbesitzer im Harz als Arbeitssklaven verkaufen könnte. Ich tat es nicht. Jungfrauen sollte ich ihm liefern, damit er sie an zahlende Lüstlinge verscherbeln könnte. Ich tat es nicht, stattdessen haben wir sie nun am Halse, die beiden edlen Fräulein. Und, was dich betrifft, Mariechen: Dich sollte ich ihm am Ziel unserer Reise übergeben. Ich tröstete meine mitleidige Seele damit, dass ich dachte, der Weg ist noch weit, viel kann geschehen, warten wir es ab. Und ich tröstete sie zudem damit, dass ich mir einbildete, er liebe dich von ganzem Herzen und wäre dir gewiss ein wunderlicher, aber guter Mann. Wunschdenken, wie sich herausstellte. «
» Du dachtest, er liebt mich? « Marie lachte bitter auf.
» Ja, so wirkte er auf mich, wenn er von dir sprach. Und ich glaube es sogar noch immer. Allerdings glaube ich auch, dass Liebe, so wie er sie versteht, eine andere ist als die, die wir gewöhnlich Sterblichen gern empfinden und weitergeben. «
» So ist es « , bestätigte Marie dumpf.
» Und nun ist auch noch dieser tumbe Bauer aufgekreuzt. Aus dem Weg wird er ihn räumen, das steht fest « , fügte Regino leise an.
» Ja « , bestätigte auch Marie. » Er wird ihn töten. «
» Darum… « , Regino zögerte ein wenig, denn das, was er nun vorschlagen würde, war vollkommen neu für ihn, und bis vor wenigen Stunden noch hätte er es nie für möglich gehalten, jemals solche Worte über seine Lippen zu bringen: » Darum sollten wir ihn finden und ihm zuvorkommen. «
Marie sagte nichts, sondern blickte Regino ausdruckslos an. Entsetzt war sie nicht, nein, sie dachte darüber nach, ob man diesem Gaukler wirklich vertrauen konnte. Es war viel, was er ihr da soeben gestanden hatte, zu viel, in ihrem Kopf arbeitete es wie in einem Bienenstock, während ihr das Herz wie ein harter Stein schmerzhaft gegen die Brust schlug. Kumpane waren sie, Regino und Fips, zwei Spitzbuben, die zusammen einen Plan ausgeheckt hatten, bei dem Marie und ein Haufen unschuldiger Ahnungsloser die Opfer sein sollten. Sie waren in eine Falle geraten, und nun wollte einer der Übeltäter die Seiten wechseln und schlug doch tatsächlich vor, den anderen gemeinsam aus dem Weg zu schaffen. Konnte man ihm glauben? Noch immer schwieg sie, als Regino wieder zu reden begann:
» Fips verfügt über eine Karte, auf der die Höhle verzeichnet ist, in der das Gold zu finden sei, welches ihn so magisch ins Altvatergebirge zieht. Diese Karte sollten wir ihm abnehmen, aber zuvor müssen wir ihn unschädlich machen. Und das für immer und ewig. «
Der Gaukler klang gar nicht mehr lustig und naiv, vielmehr nüchtern und abgeklärt. Ihm war es ernst mit seinem Vorhaben.
» Hilfst du mir? « , fragte er schließlich nach einer weiteren längeren Pause und erhob sich, nachdem er Maries leichtes Nicken wahrgenommen hatte.
Sie hatte sich entschieden. Es war ihre Schuld genauso wie Reginos, dass dieser Unhold ihnen folgte. Ganz gleich, was für ein verlogener Schelm Regino auch sein mochte, sie wollte ihm vertrauen, denn das, was er im Schilde führte, war die einzig mögliche Lösung. Vitus Fips war wie eine Bremse. Wollte man ihn loswerden, um zu verhindern, dass er einem das Blut aussaugte, so nutzte es wenig, ihn zu vertreiben. Immer und immer wieder kehrte er zu seinem auserwählten Opfer zurück. Die blutgierige, giftige Bremse musste erschlagen werden– ein für alle Mal.
Wieder nickte Marie, dieses Mal deutlicher als zuvor.
» Na, dann ist ja alles gut « , rief Regino plötzlich in gewohnter Manier und begann im nächsten Moment nach
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