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Die Flucht: Roman (German Edition)

Die Flucht: Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesus Carrasco
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Dächern. Dann das metallene Quietschen einer Radachse, das von einem Schubkarren zu stammen schien. Vielleicht ein Landarbeiter, dachte er.
    »Komm her, Junge. Ich tu dir nichts.«
    »Ich habe nichts getan.«
    »Ich weiß. Ich beobachte dich schon, seitdem du in der Kirche gewesen bist.«
    Der Junge schaute sich in alle Richtungen um, als suchte er die Augen weiterer Beobachter hinter den Fenstern rund um den Platz.
    »Lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Komm her! Ich sag doch, ich werde dir nichts tun.«
    »Nein.«
    Der Junge blickte zurück zum Dorfausgang und rechnete sich seine Chancen aus, gen Süden zu fliehen, doch die Straße war lang, und wenn der Mann eine Flinte dabei hatte, gäbe er ein leichtes Ziel ab. Er dachte, selbst wenn er nicht überwältigt würde, wäre es kaum zu schaffen, sich am helllichten Tag bis zur Burg durchzuschlagen.Und brächte er kein Wasser mit, müsste der Alte sterben und er ohne Zweifel ebenso.
    »Woher weiß ich, dass Sie mir nichts tun werden?«
    »Du brauchst nur mal einen Blick auf mich zu werfen.«
    Langes verfilztes Haar, schwarzer Bart und nichts als einen an der Taille zusammengebundenen Kittel aus Sackleinen am Leib. Verstümmelte Hände, die Beine knapp unterhalb der Knie amputiert. Die Beinstümpfe mit verdreckten Lederriemen auf ein Holzbrett mit vier schmierigen Kugellagern als Radersatz montiert. Die Anspannung des Jungen verflog, während er wie gebannt diesen seltsamen Körper von oben bis unten in Augenschein nahm. Durch einen Spalt im Mauerwerk betrachtete er den Mann auf der anderen Seite, der mit seinem fahrbaren Untersatz verschmolzen war. Mann und Brett waren gleichermaßen verwahrlost, und beide stanken unsäglich nach einem Gemisch aus Urin und Buchenholzteer. Der Junge war wie betäubt vom Anblick dieses seltsamen Wesens, vielleicht auch von seinen Körperausdünstungen, die, nach und nach von den Poren aufgesogen, längst ein Teil von ihm zu sein schienen.
    »Gefällt dir mein Brett?«
    Nur widerwillig löste er sich aus seiner Faszination. So groß war der Schock gewesen, dass sein Blut nun völlig antriebsarm durch seine Adern lief. Auf einmal kam ihm die Person, die da zu ihm sprach, derart harmlos vor, dass er Erleichterung mit Schroffheit verwechselte und barsch wurde, ohne zu bedenken, dass der Mann sehrwohl der Besitzer des Brunnens sein oder gar einen Revolver unter dem Kittel versteckt haben konnte.
    »Was wollen Sie? Ich habe nur ein wenig Wasser genommen.«
    »Macht nichts. Du kannst so viel haben, wie du willst. Es ist bloß nicht gut. Vielleicht hast du schon die Scheißerei bekommen.«
    Der Junge schwieg.
    »Was treibst du hier so ganz allein?«
    »Ich bin nicht allein. Mein Vater und mein Bruder warten oben im Eichenhain auf mich.«
    »Und sie haben dich zum Wasserschöpfen geschickt?«
    »Ja.«
    »Dann hol sie doch her. Ihr könnt in meiner Herberge eine Kleinigkeit essen. Es soll euch nicht viel kosten.«
    Der Junge schaute sich nach einem Schild um, das auf ein Lokal hinwies, sah aber nichts als verriegelte, baufällige Häuser. Er schnitt eine Grimasse.
    »Sie ist weiter hinten.«
    Mit dem Kopf wies der Mann in Richtung des nördlichen Dorfausgangs. Der Junge hielt das für eine dreiste Lüge, denn niemand, der noch bei Sinnen war, würde an diesem Ort einen Laden führen.
    »Wirklich, junger Mann. Auch wenn du es nicht glaubst, aber das ist der Weg zur Hauptstadt. Sobald die große Dürre vorbei ist, werden hier wieder Händler und Reisende vorbeikommen.«
    Der Junge blickte in die von dem Mann angezeigte Richtung. Tatsächlich sah er zum Ende der Straße hin ein etwas weniger verfallenes Haus mit offener Tür. Wenner das Haus meinte, dachte er, dann musste es eine sehr billige Herberge sein.
    »Wir haben es eilig. Wir können nicht anhalten, um zu essen.«
    »Kauf mir wenigstens ein Brot ab.«
    »Ich habe kein Geld.«
    »Dann nimm etwas Schmalzgebäck mit. Ich will, dass ihr euch das nächste Mal, wenn ihr hier vorbeikommt, an mich erinnert.«
    Der Junge weigerte sich, mit ihm zu gehen. Er fürchtete, jemand könne ihn im Haus erwarten, doch die Begeisterung, mit der ihm der Krüppel Brot und Süßigkeiten anpries, war allzu verführerisch. Ihm lief schon das Wasser im Mund zusammen. In Erinnerung an den Turrón, den sie daheim zu Weihnachten aßen, war er versucht mitzugehen, hielt sich aber zurück. Er konnte sich kaum vorstellen, dass diese Kreatur mit nicht mehr als vier Fingern an beiden Händen in der Lage war zu backen. Er

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