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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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gesagt: Ich werde dann seine Herde übernehmen, so wie ich es gemacht habe, als Mr Gault im vorletzten Winter verschwand, und ich werde neue Schafe haben, die ich schlachten, kastrieren und scheren muss, Böcke, die ich zur richtigen Zeit mit den Mutterschafen in die Pferche sperren muss, und werde ich dafür jemals auch nur ein Dankeschön bekommen? Nein, werde ich nicht.
    Ich bin Todd Hewitt, denke ich, weil der Tag offensichtlich alles aufbietet, um meinen Lärm in Aufruhr zu versetzen. Ich bin beinahe ein Mann.
    »Schaf!«, sagen die Schafe, als ich, ohne stehen zu bleiben, an ihrer Koppel vorbeigehe. »Schaf!«, sagen sie und schauen mir nach. »Schaf! Schaf!«
    »Schaf!«, bellt Manchee.
    »Schaf!«, blöken sie zurück.
    Schafe haben sogar noch weniger zu sagen als Hunde.
    Ich habe mich auf der ganzen Farm nach Bens Lärm umgehört, und schließlich habe ich ihn unten, an einer Ecke des Weizenfelds ausfindig gemacht. Die Aussaat ist vorüber, bis zur Ernte sind es noch Monate hin, im Augenblick gibt es nicht viel zu tun mit dem Weizen, man muss nur dafür sorgen, dass die Generatoren und der Atomtraktor und die elektrischen Dreschmaschinen bereit zum Einsatz sind. Aber wenndu glaubst, dass ich deshalb ein bisschen Unterstützung bei der Arbeit mit den Schafen bekomme, irrst du dich.
    Ben summt in seinem Lärm ein kleines Liedchen vor sich hin, es kommt von dort, wo die Düsen der Bewässerungsanlagen sind, also mache ich einen Bogen und laufe dann quer über das Feld auf ihn zu. Sein Lärm ist nichts im Vergleich zu Cillians Lärm. Er ist gleichmäßiger und klarer, und auch wenn man Lärm nicht sehen kann, so kommt mir Cillians Lärm rötlich vor und Bens Lärm blau, manchmal sogar grün. Sie sind vollkommen verschieden, wie Feuer und Wasser, so sind Ben und Cillian, meine Mehr-oder-weniger-Eltern.
    Es heißt, meine Ma und Ben waren bereits Freunde, ehe sie nach New World aufbrachen, und dass sie beide Mitglieder von Unserer Kirche waren, als das Angebot kam, fortzugehen und eine neue Siedlung zu gründen. Ma überzeugte meinen Pa und Ben überzeugte Cillian, und als die Raumschiffe gelandet waren und eine neue Siedlung gegründet war, züchteten meine Ma und mein Pa Schafe auf der Farm gegenüber von Ben und Cillian, die Weizen anbauten, und alle waren Freunde, und alles war schön, und die Sonne ging niemals unter, und Männer und Frauen sangen gemeinsam Lieder und lebten zufrieden und liebten sich, und niemals wurde jemand krank und starb.
    Das ist die Geschichte, die mir der Lärm erzählt, aber wer weiß, wie es tatsächlich war? Denn damals, als ich auf die Welt kam, änderte sich alles. Die Spackle setzten Erreger frei, die Frauen töteten, und das war’s dann für meine Ma, und dann begann der Krieg. Wir gewannen zwar den Krieg, aber für den Rest von New World war es aus und vorbei. Und mittendrin bin ich, ein Baby, das von nichts etwas weiß, und natürlich binich nicht das einzige Kind, es gab damals jede Menge Kinder, aber mit einem Mal war nur noch eine halbe Stadt da, die aus lauter Männern bestand, um auf uns Babys und die kleinen Jungen aufzupassen. Viele von uns starben, aber ich zählte zu denen, die Glück hatten, denn für Ben und Cillian war es selbstverständlich, mich aufzunehmen, mir zu essen zu geben, mich großzuziehen, mir etwas beizubringen und im wahrsten Sinne des Wortes mein Überleben zu sichern.
    Deshalb bin ich für die beiden sozusagen wie ein Sohn. Na ja, eigentlich mehr als nur sozusagen, wenn auch weniger als ein richtiger Sohn. Ben sagt, Cillian streitet deshalb so viel mit mir, weil er mich so gernhat, aber wenn das stimmt, ist es schon eine komische Art, jemandem seine Zuneigung zu zeigen, denn unter Zuneigung stelle ich mir was anderes vor.
    Ben ist ein ganz anderer Mensch als Cillian, ein gütiger Mensch. Das macht ihn zu etwas Besonderem in Prentisstown. Für 145 Männer dieser Stadt, sogar für diejenigen, die erst vor Kurzem Geburtstag hatten und gerade erst Männer geworden sind, ja sogar für Cillian, wenn er das auch nicht so deutlich zeigt, bin ich jemand, den man bestenfalls nicht zur Kenntnis nimmt und schlimmstenfalls verprügelt, deshalb verbringe ich den größten Teil meiner Zeit damit, möglichst wenig aufzufallen, damit ich ignoriert und nicht verprügelt werde.
    Aber Ben ist anders, ich kann ihn nicht genauer beschreiben, ohne mir gefühlsduselig und dumm und wie ein kleiner Junge vorzukommen, deshalb lasse ich es. Ich will nur so viel sagen, dass

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