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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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beiße eine Minute lang die Zähne zusammen, ertrage den Schmerz und das Stechen, bis ich es wagen kann zu sprechen.
    »Todd?«, winselt Manchee.
    »Ich bin hier, Manchee«, murmle ich, die Worte klingen wie ein Knurren, das sich seinen Weg erst durch den Schleim tief in meiner Brust bahnen muss, und sie machen, dass ich noch stärker husten muss.
    Was schlecht ist, denn dann tut mein Rücken so weh. Mein Rücken.
    Ein entsetzliches Gefühl breitet sich vom Magen her in meinem ganzen Körper aus.
    Das Letzte, was ich gesehen habe, ehe ...
    Nein.
    Oh nein.
    Ich huste ganz leicht, versuche keinen einzigen Muskel zu bewegen, es misslingt, ich lasse den Schmerz über mich ergehen, bis er so weit nachlässt, wie er nachlassen will, und dann strenge ich mich an, meinen Mund zu bewegen, ohne mich dabei selbst umzubringen.
    »Steckt ein Messer in mir, Manchee ?«, frage ich meinen Hund röchelnd.
    »Messer, Todd«, bellt er voller Sorge. »Rücken, Todd.«
    Er kommt auf mich zu und leckt mir wieder übers Gesicht. Auf seine Hundeart versucht er mich wieder heil zu machen. Eine Minute lang atme ich nur, bewege mich nicht. Ich schließe die Augen und hole tief Luft, gegen den Widerstand meiner Lunge, die schwer wiegt und zum Platzen gefüllt ist.
    Ich bin Todd Hewitt, denke ich, aber das ist ein Fehler, denn plötzlich ist alles Geschehene wieder da und zieht mich nach unten, das Blut des Spackle, Violas Gesicht so voller Entsetzen über mich und Aaron, der aus dem Wald kommt und sie packt ...
    Ich fange an zu weinen, aber es tut so weh, dass ich eine Minute lang wie gelähmt bin und der Schmerz wie ein Feuersturm durch Arme und Rücken fegt. Ich kann nichts dagegen tun als ihn auszuhalten und zu warten, bis er nachlässt.
    Langsam, langsam, ganz langsam ziehe ich den Arm unter meinem Körper hervor. Kopf und Arme tun so weh, dass ich kurz das Bewusstsein verliere, aber ich komme wieder zu mir,und langsam, langsam, ganz langsam taste ich mit der Hand über meinen Rücken, lasse die Finger über das nasse, verdreckte Hemd nach oben wandern, weiter bis zu dem nassen, verdreckten Rucksack, den ich, ist es zu fassen, noch immer auf dem Rücken trage, und weiter nach oben und wieder zurück, bis ich ihn mit den Fingerspitzen ertaste.
    Den Griff des Messers. Der nun aus meinem Rücken hervorragt.
    Aber dann müsste ich eigentlich tot sein.
    Ich müsste tot sein.
    Bin ich tot?
    »Nicht tot, Todd«, bellt Manchee. »Sack! Sack!«
    Das Messer steckt in mir, ganz oben zwischen meinen Schulterblättern, der Schmerz lässt überhaupt keinen Zweifel zu, aber das Messer hat zuerst den Rucksack durchstoßen, und etwas im Rucksack hat das Messer daran gehindert, noch tiefer in mich einzudringen.
    Das Buch.
    Das Buch meiner Mutter.
    Ich taste noch einmal, so langsam wie möglich, und ja, es stimmt, Aaron hat mit dem Arm ausgeholt und zugestochen, durch das Buch im Rucksack, und das Buch hat verhindert, dass das Messer glatt durch mich hindurchgestochen hat (anders als bei dem Spackle).
    Ich schließe die Augen und versuche ganz tief Atem zu holen, dann halte ich die Luft an, bis ich den Messergriff mit den Fingern umschließen kann, und dann muss ich wieder tief Luft holen und warten, bis der Schmerz nachlässt, und dann probiere ich, das Messer rauszuziehen, doch das ist das Schwierigste überhaupt, und ich muss warten und tief atmen und eserneut versuchen und wieder ziehen, und der Schmerz in meinem Rücken wird immer stärker, als würde man mit Gewehrkugeln auf mich schießen, und ich schreie, ich kann mich nicht beherrschen, als ich spüre, wie das Messer aus meinem Rücken kommt.
    Eine Minute lang keuche ich nur und schnappe nach Luft und gebe mir Mühe, nicht wieder zu weinen, dabei halte ich das Messer fest, das immer noch im Buch und im Rucksack feststeckt.
    Manchee leckt mir übers Gesicht.
    »Guter Junge«, sage ich und weiß selbst nicht, warum.
    Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich die Riemen über die Arme gestreift habe und endlich den Rucksack und das Messer wegstoßen kann. Ans Aufstehen ist gar nicht zu denken, stattdessen verliere ich schon wieder das Bewusstsein. Manchee leckt mir übers Gesicht und ich muss die Augen aufmachen und husten, husten, immer wieder husten. Aber ich lebe.
    Während ich im Schlamm liege, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass mich Aarons Messer durchbohrt hätte, dass ich tot wäre wie der Spackle, dass ich endlich am Grunde des schwarzen Lochs angekommen wäre, tief, tief, tief

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