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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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stürzen.
    »Todd?«, sagt Viola. »Leg das Messer hin.«
    Er springt los.
    Im selben Moment springe ich.
    (Siehst du?)
    »Nein!« schreit Viola, aber mein Lärm tobt viel zu laut, ihr Schrei ist für mich kaum mehr als ein Flüstern.
    Denn alles, was mir durch den Kopf schießt, während ich mit langen Schritten auf ihn zurenne, das Messer zum Stoß erhoben, und mich dann auf ihn stürze, auf den Spackle mit seinen dürren Knien und Ellbogen, der nun auch noch stolpert, als er seinen Speer holen will, alles, was ich denke und womit ich ihn überschütte in meinem roten, tiefroten Lärm, sind Bilder, Worte und Gefühle, die sich aus allem Erlebten, allem Wissen speisen, aus den Augenblicken, in denen ich gezögert habe, das Messer zu gebrauchen, und jede Faser meines Körpers schreit ...
    Ich zeig dir, wer ein Mörder ist.
    Ich erreiche ihn, ehe er bei seinem Speer ist, meine Schulter rammt ihn in vollem Lauf. Mit einem dumpfen Aufschlag stürzen wir zu Boden, ein Boden, der an dieser Stelle weniger feucht ist als die Umgebung, und die Arme und Beine des Spackle sind überall. Sie sind lang, ich kämpfe gegen eine Spinne, er versetzt mir einen Schlag gegen den Kopf, aber es ist nicht viel mehr als ein Klaps, und mir wird klar, mir wird klar, mir wird klar ...
    Mir wird klar, dass er schwächer ist als ich.
    »Hör auf, Todd!«, höre ich Viola schreien.
    Er kriecht weg von mir, und ich treffe ihn mit der Faust ander Schläfe; er ist so leicht, dass der Schlag ihn einfach umwirft, er fällt auf Steine, er schaut zu mir hoch, und aus seinem Mund kommt ein zischender Laut, und aus seinem Lärm strömt nur noch Entsetzen.
    »Hör auf!«, schreit Viola. »Siehst du nicht, wie sehr er sich fürchtet?«
    »Dazu hat er auch allen Grund!«, schreie ich zurück.
    Denn mein Lärm ist jetzt nicht mehr aufzuhalten.
    Ich gehe auf ihn zu, er versucht wegzukriechen, aber ich bekomme ihn an seinem langen weißen Fußgelenk zu fassen und ziehe ihn zu mir her; er stößt sein schreckliches, scharfes Zischen aus und ich zücke mein Messer.
    Viola muss Manchee irgendwo abgelegt haben, denn sie packt mich am Arm, reißt mich zurück, will mich daran hindern, den Spackle aufzuschlitzen, aber ich werfe mich mit meinem ganzen Gewicht auf sie, will sie abschütteln, aber sie lässt nicht los, und wir taumeln gemeinsam weg von dem Spackle, der sich bei den Felsen niederkauert und sein Gesicht mit den Händen bedeckt.
    »Lass mich los!«, schreie ich.
    »Bitte, Todd!«, schreit sie zurück, zerrt mich am Arm, verdreht mir den Arm. »Hör auf damit, bitte!«
    Ich schüttle sie ab, stoße sie mit meiner freien Hand beiseite, und als ich mich umdrehe, huscht der Spackle schon wieder geduckt über den Boden ...
    Auf seinen Speer zu ...
    Berührt den Schaft schon mit den Fingern ...
    Und der ganze Hass, der sich in mir angestaut hat, bricht aus mir hervor wie aus einem Vulkan in grellem Rot ...
    Und ich stürze mich auf ihn.Und ich stoße ihm das Messer in die Brust.
    Es knirscht, als sich die Klinge in seinen Körper bohrt, sie rutscht ab, als sie auf einen Knochen trifft, der Spackle stößt ein entsetzliches Gurgeln aus, und dunkelrotes Blut (rot, es ist tatsächlich rot, sie bluten rot) spritzt aus der Wunde. Er hebt seinen langen Arm und kratzt mir quer übers Gesicht, und ich ziehe meinen Arm zurück und stoße ein zweites Mal zu, sein Atem geht rasselnd und röchelnd, die Arme und Beine zappeln immer noch, und er schaut mich aus seinen schwarzen, tiefschwarzen Augen an, und sein Lärm ist nur noch Schmerz und Angst ...
    Und ich wühle mit dem Messer in ihm ...
    Und er will nicht sterben, er will nicht, er will einfach nicht sterben.
    Und dann stöhnt er und zittert und stirbt.
    Sein Lärm verstummt.
    Ich spüre ein Würgen in meiner Kehle, und ich ziehe das Messer heraus und wanke weg von ihm.
    Ich betrachte meine Hände, mein Messer. Überall ist Blut. Das Messer ist voller Blut, sogar der Griff ist blutverschmiert, meine Hände, meine Arme, Hemd und Hose, ein Spritzer ist auch auf meinem Gesicht, ich wische ihn weg, dabei vermischt sich das Blut des Spackle mit meinem Blut, das aus dem Kratzer hervor sickert.
    Obwohl der Regen auf mich niederprasselt, klebt mehr Blut an mir, als man für möglich halten sollte.
    Der Spackle liegt dort, wo ich ...
    ... wo ich ihn getötet habe.
    Viola keucht und würgt. Ich schaue zu ihr hoch, und als ich sie ansehe, weicht sie vor mir zurück.
    »Du hast keine Ahnung!«, schreie ich. »Du hast von nichts

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