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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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heiß wurden. Ich nahm all meine Würde zusammen, reckte das Kinn und ging ohne ein Wort an Kim vorbei.
    Zumindest war das der Plan gewesen, bis Kim einen Schritt auf mich zumachte und mich mit der Schulter anrempelte.
    »Pass doch auf, du Trampel!«, fuhr sie mich an.
    Ich schaffte es, so zu tun, als würde ich sie ignorieren. Auf dem Weg aus dem Speisesaal murmelte ich allerdings einen Fluch vor mich hin. Nichts weltbewegendes, nur ein kleiner, juckender Ausschlag – für Kim jedoch würde das erst einmal genügen.
    Es war eine Kurzschlussreaktion, und erst als ich mich noch einmal umdrehte und sah, wie Kim begann, sich imGesicht zu kratzen, wurde mir bewusst, dass Skyler unmittelbar hinter mir war.
    Mein Herzschlag setzte für einen Moment aus und raste dann im Galopp weiter. Was hatte ich getan?! Wie konnte ich in aller Öffentlichkeit so sehr die Fassung verlieren, dass ich auf meine Magie zurückgriff!
    Skyler wirkte verwundert, was mein Herzrasen nur weiter anspornte. Noch einmal schaute er zu Kim zurück, ehe er mich wieder ansah. »Was ist der denn für eine Laus über die Leber gelaufen?«
    Beinahe hätte ich laut aufgeseufzt, so erleichtert war ich, dass er, von Kims Benehmen einmal abgesehen, nichts bemerkt hatte. Da ich weder Lust hatte, mich bei ihm auszuheulen, noch ihm zu erzählen, warum Kim es auf mich abgesehen hatte, zuckte ich nur die Schultern.
    Glücklicherweise verlief der Rest des Tages ohne weitere Zwischenfälle. Ich schleppte Skyler von Klassenzimmer zu Klassenzimmer und ließ es sogar über mich ergehen, als er mir nach dem Volleyballtraining in die Bibliothek folgte, damit wir gemeinsam unsere Hausaufgaben erledigen und uns auf die nächsten Stunden vorbereiten konnten.
    Die meiste Zeit starrte ich nur auf meine Lehrbücher und versuchte zu verhindern, dass meine Gedanken abschweiften. Der Vorfall mit Kim hing mir immer noch nach, doch es war weniger ihr Verhalten als mein eigenes, das mir zu schaffen machte. Natürlich war es eine Befriedigung, wann immer wir uns im Laufe des Nachmittags über den Weg liefen, ihr vom Ausschlag und Kratzen gerötetes Gesicht zu sehen, das sie hinter ihrem langen Haar zu verstecken versuchte, doch es war ein schaler Sieg.
    Hatte ich wirklich so wenig aus der Vergangenheit gelernt, dass ich immer noch so dumm war, auf meine Kräfte zuzugreifen? Es war nicht nur das Schicksal meiner Eltern,aus dem ich hätte klug werden sollen, sondern auch meine Erlebnisse im Heim.
    Nachdem ich damals meine Kräfte entdeckte, hatte ich es ziemlich übertrieben und mehreren Kindern und Heimmitarbeitern, die mir im Laufe der Zeit übel mitgespielt hatten, etwas an den Hals gewünscht. Durch die Häufung der Fälle war die Heimleitung darauf aufmerksam geworden und hatte die Magiepolizei über die Vorgänge informiert. Eine meiner damaligen Zimmergenossinnen hatte den Ermittlern dann auch prompt erzählt, dass ich mit ihr darüber gesprochen hätte, wie wunderbar es wäre, wenn genau diese Menschen einmal richtig Pech hätten. So waren sie auf mich aufmerksam geworden. Eine Untersuchung war eingeleitet worden, in deren Zentrum ich als Hauptverdächtige stand. Zu meinem Glück hatte keiner der Magiesensoren auf mich reagiert. Meine Gabe war anders als die übliche Magie und die wenigsten Geräte waren fein genug justiert. Trotzdem hatte ich begriffen, dass ich in Zukunft vorsichtiger sein musste.
    Ich hörte nicht auf, meine Fähigkeiten einzusetzen, zu testen und weiterzuentwickeln. Allein schon, um meine Gabe unter Kontrolle zu haben und zu verhindern, dass sie versehentlich aus mir herausbrach. Aber ich setzte sie nur noch dann ein, wenn ich sicher war, dass es keine Zeugen gab.
    Heute hatte ich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit mit diesem Grundsatz gebrochen. Und das nur, um Kim Randall eins auszuwischen. Du meine Güte, ich hätte ihr ebenso gut eine scheuern können! Dafür wäre die Höchststrafe eine Verwarnung, vielleicht Strafarbeit. Ich hingegen hatte einen Eingriff an meinem Gehirn riskiert!
    Wie wenig ich meiner Mom ähnelte, zeigte sich darin, dass ich mich für den Fluch entschieden hatte. Statt Kim zu verfluchen, hätte ich auch auf ihre Stimmung einwirkenund sie besänftigen können. Das war mein zweites Talent: Ich konnte Stimmungen manipulieren. In einfachen Fällen genügte es, wenn ich mich auf die Schwingungen im Raum konzentrierte und sie entweder zu glätten oder aufzupeitschen versuchte, je nachdem was ich bezwecken wollte. Die Gefahr, dabei

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