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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Kopf, rief etwas, das nach »Wir sehen uns später« klang, und marschierte zu meinem Tisch.
    Offensichtlich hatte ich seine Klugheit überschätzt.
    »Hi.« Er stellte sein Tablett ab und sah sich um. »Netter Platz. Von hier aus überblickt man den ganzen Raum.«
    Das war der Grund, warum ich diesen Tisch so mochte. Es war einer der wenigen Plätze, an denen ich mit dem Rücken zur Wand sitzen und die Umgebung im Auge behalten konnte. Vielleicht war das paranoid, aber ich mochte es einfach nicht, wenn sich jemand hinter mir herumdrückte.
    Skyler setzte sich neben mich und griff nach seinem Besteck. Ich öffnete den Mund, um ihm zu sagen, er solle sich einen anderen Tisch suchen, klappte ihn aber gleich wieder zu, da ich damit ohnehin nichts erreichen würde. Er würde entweder nicht auf mich hören, oder aber geradewegs zu Mr Cranston marschieren und ihm sagen, dass ich mich weigerte, mich um meinen Schützling zu kümmern. So oder so, ich konnte nicht gewinnen. Deshalb tat ich das einzig Mögliche: Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf meinen Teller und wandte mich schweigend meinem Essen zu.
    »Ich weiß, dass du dich schon den ganzen Tag über fragst, woher ich diese Narbe habe«, sagte er, als ich keine Anstalten machte, ein Gespräch anzufangen. »Ich kann dich beruhigen, es war keine Messerstecherei.«
    Ich warf einen kurzen Blick auf das Messer in seiner rechten Hand, mit dem er sein Fleisch schnitt, dann sah ich ihn an. »Beruhigend zu wissen, dass ich mich bei den Mahlzeiten nicht vor dir fürchten muss.«
    Skyler grinste. »Du bist echt eine harte Nuss, Raine MacDaniels.«
    Ich seufzte. Warum musste er so nett sein? »Also, woher hast du die Narbe dann?«
    »Waldlauf ist gefährlicher, als man gemeinhin denkt.«
    »Wie bitte?«
    »Ich war joggen. Vielleicht war es auch mehr so eine ArtQuerfeldein-Lauf.« Er zuckte die Schultern. »Jedenfalls ist es nicht gut, in hohem Tempo zwischen dicht stehenden Bäumen zu laufen.«
    »Das war ein Baum?«
    »Rotdorn.«
    »Autsch.« Die Äste des Rotdorns hatten gemeine dicke Stacheln, mit denen ich auch schon Bekanntschaft gemacht hatte – glücklicherweise nicht im Gesicht.
    Ich war mit meinem Essen fertig und warf einen Blick zu Skyler. »Bist du fertig?«
    Er nickte.
    »Dann lass uns gehen.« Die nächste Stunde fing bald an, und da ich ihn sowieso zum Klassenraum bringen musste, konnte ich ihm ebenso gut die Aufenthaltsräume zeigen, in denen es Kaffee, Snacks und jeweils eine kleine Küchenzeile gab, in der man sich außerhalb der Mahlzeiten etwas zu essen machen konnte.
    Wir standen auf und brachten unsere Tabletts fort. »Wenn ich dir alles gezeigt habe«, sagte ich auf dem Weg zum Ausgang, »solltest du dir wirklich einen anderen Anschluss suchen. Andere Leute können deine Fragen genauso gut beantworten wie ich. Vielleicht sogar noch besser.«
    Im Gegensatz zu mir waren die meisten bereits das vierte Jahr auf der Schule.
    Skyler sah mich an. »Aber ob die anderen in ihrer Ablehnung mir gegenüber auch so charmant sein werden, wie du es bist?«
    Ich wollte ihm eine Erwiderung an den Kopf werfen, als Kim plötzlich vor mir auftauchte. Wie üblich brachte Max ihr Tablett weg, während sie am Ausgang des Speisesaals auf ihn wartete. Sobald sie mich sah, gefror ihr Gesicht zu Eis.
    Ich hatte es längst aufgegeben, ihr zu versichern, dass ich nichts von Max wollte. Es hatte sowieso keinen Zweck. Kimhatte sich auf mich eingeschossen und versuchte mir das Leben schwer zu machen. Daran würden die freundlichsten Worte und jede Beteuerung der Welt, dass ihr Freund vor mir in Sicherheit war, nichts ändern. In Kims Fall half es nur, ihr aus dem Weg zu gehen. Was schwierig war, denn sie stand unmittelbar neben der Tür, durch die wir gehen mussten.
    »Sieh an«, ätzte sie, als wir näher kamen. »Unser Mauerblümchen hat einen Freund gefunden.« Ein boshaftes Grinsen legte sich über ihr perfekt geschminktes Gesicht. »Ach nein, bis auf die Loser, mit denen du immer herumhängst, will ja keiner was von dir wissen. Den da«, sie deutete mit dem Kopf auf Skyler, »hat dir ja Cranston zugeteilt.«
    Es war der x-te Zusammenstoß dieser Art und eigentlich hätten mir ihre Beleidigungen längst nichts mehr ausmachen dürfen. Doch statt dass mein Fell dicker wurde, rieben Kims Attacken daran, sodass es von Mal zu Mal fadenscheiniger wurde. Dass Skyler das alles mit anhören musste, machte es nicht besser. Ich spürte, wie meine Wangen in einer Mischung aus Scham und Zorn

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