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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Serviette den Mund ab und warf sie aufs Tablett. Dann saher mich an. »Ist das bei dir so? Ist es für dich kein Spaß hier?«
    Für mich war nichts ein Spaß, aber das musste er nicht wissen. »Ich interessiere mich einfach für andere Sachen als Typen wie du.«
    »Typen wie ich?«
    »Leute, die prädestiniert sind, zu den In-Cliquen zu gehören.« Wenn dieses Gespräch nicht bald ein Ende fand, würde ich noch anfangen, mich auf meinem Stuhl zu winden. »Ich bin hier, um zu lernen, nicht, um Kontakte zu knüpfen.«

 5 
    Wie ich befürchtet hatte, änderte Max’ Geschenk nichts an Kims Verhalten mir gegenüber. Wann immer sich unsere Wege kreuzten, rempelte sie mich an oder bedachte mich mit den üblichen spitzen Bemerkungen und Sticheleien. Ich bemühte mich, auf Durchzug zu schalten, allein schon, um nicht noch einmal in aller Öffentlichkeit auf meine Kräfte zurückzugreifen. Die meiste Zeit funktionierte es ganz gut, auch wenn die eine oder andere ihrer Spitzen durchaus saß. Da traf es sich gut, dass ich mit Skyler noch ein anderes Problem hatte, auf das ich mich konzentrieren konnte.
    Obwohl ich mir alle Mühe gab, ihn an neue Freunde zu vermitteln, wurde er während der folgenden Tage zu meinem Schatten. Ich konnte nirgendwo hingehen, ohne dass er mir folgte, mich dort bereits erwartete oder kurz darauf auftauchte. Die Freistunden verbrachte er meistens mit Max und dessen Freunden in der Sporthalle, doch sobald er aus der Umkleidekabine heraus war, dauerte es nicht lange, bis er wieder in meiner Nähe auftauchte. Die einzigen Orte, an denen ich noch vor ihm sicher war, waren mein Zimmer und die Waschräume oder die Zeiten, zu denen ich Volleyballtraining hatte, wobei ich mir ziemlich sicher war, ihn während des Trainings auf der Tribüne gesehen zu haben.
    Ich versuchte wirklich alles, um ihn loszuwerden. Meine Ansprachen über die richtigen Freunde beeindruckten ihn jedoch ebenso wenig wie die kalte Schulter, die ich ihm zeigte, oder mein Schweigen, mit dem ich ihn einmal für einen ganzen Tag abzuschrecken versuchte.
    Schließlich gab ich auf.
    Vielleicht hing er gerade deshalb immer noch an mir.Meine Gegenwehr machte mich interessant. Wenn ich ihn hingegen akzeptierte, würde er womöglich anfangen, sich zu langweilen, und weiterziehen.
    Also begann ich, mich mit ihm zu unterhalten.
    Auf diese Weise erfuhr ich nicht nur davon, dass sein Dad im diplomatischen Dienst war, sondern auch von seiner Schwester, die seit einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt war. Da er von sich aus nicht mehr darüber erzählte und ich merkte, wie nah ihm das Thema ging, stellte ich keine weiteren Fragen. Stattdessen verlegte ich unsere Gespräche auf Allgemeinplätze, die ohnehin weit besser geeignet waren, um ihn zu langweilen, als wenn ich ihm zeigte, dass ich mich für ihn und sein Leben interessierte. Denn, verdammt noch mal, das tat ich! Dieser Junge war mit Abstand der unterhaltsamste, witzigste und tiefsinnigste Typ, dem ich je begegnet war. Hinter seinem lässigen Äußeren verbarg sich jemand, der weitaus vielschichtiger war, als er einen glauben machen wollte. Sobald ich das bemerkte, stellte ich jeden Versuch ein, mehr über ihn zu erfahren. Ich konnte es mir nicht erlauben, mich noch mehr an ihn zu hängen!
    Also begann ich die Fragen zu stellen, mit denen ihn auch alle anderen bombardierten, sobald sie mit ihm in Kontakt kamen. Auf welchen Schulen er war, was er beruflich machen will, welche Bücher und Bands er mag, welche Filme ihn vom Hocker hauen und all den anderen langweiligen Kram. Wenn er sich nicht bald umorientierte, würde ich anfangen müssen, ihn nach Dingen wie seiner Lieblingsfarbe oder seiner Lieblingszahl zu fragen.
    Nebenbei war ich sein Fremdenführer durch die Wirren des Internatsalltags. Ich zeigte ihm das Gelände mit allen Gebäuden, Nebengebäuden und Außenanlagen und machte ihn mit den Schulregeln vertraut. Natürlich musste er irgendwo eine Liste mit den Zeitplänen bekommen haben.Andernfalls konnte er unmöglich die Essenszeiten kennen und zu einer Mahlzeit war er noch nie zu spät erschienen. Trotzdem hörte er aufmerksam zu, während ich alles herunterbetete. Als hätte er nicht die Einführungsrede seines Hausvorstehers über sich ergehen lassen müssen und – mit ein wenig Pech – dieselbe Leier noch einmal von der Stockwerksaufsicht zu hören bekommen. Ein Geflecht aus festen Regeln und Zeiten, das einen während der Woche voll im Griff hatte.
    »Dürfen wir das

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