Die Fluchweberin
für ein Miststück sie sein konnte, und trotzdem hatte er sich in sie verliebt.
Kim seufzte. »Ich habe einfach eingesehen, dass es … dass sie nichts getan haben, das mein Verhalten rechtfertigt. Nicht einmal Raine.« Sie sah ihm fest in die Augen. »Immerhin bist du mit mir zusammen und nicht mit ihr.«
Max sah aus, als würde er vor Stolz auf seine Freundin jeden Moment platzen. Das versetzte mir einen Stich, denn es war ja nicht Kims wahres Ich, das aus ihr sprach. Wenn er die Wahrheit kennen würde, wäre er furchtbar enttäuscht.
Kim brachte ein Lächeln zustande, von dem selbst ich merkte, dass es gezwungen war. Ihre Gedanken waren bei Tanya und den anderen, und ich konnte spüren, wie sehr sie unter der Zurückweisung ihrer Freundinnen litt. Sie fragte sich, wie sie das Leichtathletiktraining überstehen sollte, dasCoach Jamesson nach dem Abendessen angesetzt hatte. Er behauptete, dass es Teil des Trainings war, Kim hingegen vermutete, dass es sich um reine Schikane handelte. Er wollte das Team für das schlechte Abschneiden bei den letzten Wettkämpfen bestrafen, indem er es um das Abendessen brachte. Er wusste ganz genau, dass die gesamte Mannschaft das Essen entweder ganz ausfallen lassen oder lediglich in ein paar Salatblättern herumpicken würde.
Ob Michelle zum Essen geht? Wenn ich sie allein erwische, könnte ich vielleicht in Ruhe mit ihr reden. Kim hoffte tatsächlich, dass sie zumindest Michelle davon abbringen konnte, sie wie ein feindliches Wesen zu behandeln. Ich verstand immer noch nicht, wie man diese Zicken als Freundinnen bezeichnen konnte – Menschen, die einen bei der ersten Gelegenheit fallen ließen und wie Dreck unter den Nägeln behandelten. Andererseits: Was wusste ich schon von Freundschaft?
Ich wusste allerdings sofort, dass es mir hier zu heiß wurde, als Max Kim an sich zog und ihr einen langen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen drückte. Heilige Scheiße, wollte er, dass ich einen Herzschlag bekam?!
Ich musste hier raus! Sofort!
Warme Lippen. Zungen. Oh Gott! Ich konnte mit niemandem knutschen, in den ich gar nicht verliebt war. Sicher, ich war es nicht, die mit Max herummachte, aber es fühlte sich so an. Ich spürte alles, seine Berührungen auf meiner – Kims – Haut, als er seine Hände unter ihre Bluse schob, seinen warmen Atem auf meinem Gesicht und die weichen Lippen …
Der Gedanke wirkte wie eine kalte Dusche. Schlagartig riss es mich in meinen eigenen Körper zurück. Mit einem Schrei fuhr ich auf, als wäre ich gerade aus einem Albtraum erwacht, und machte einen Satz zurück. Dabei stieß ich gegen die Couch und geriet ins Stolpern. Ein fester Griff an meinen Armen verhinderte meinen Sturz. Ich wurde mit Schwung nach oben gezogen und taumelte in dem Versuch, mein Gleichgewicht zurückzuerlangen, vorwärts. Geradewegs in Skylers Arme. Er hielt mich fest an sich gedrückt, sein Gesicht dem meinen ganz nah. Ich wartete darauf, dass er Fragen stellen oder einen Scherz machen würde. Irgendetwas. Doch er sah mich nur an. Und während er das tat, veränderte sich etwas in seinen Augen. Sein anfangs erschrockener Blick wandelte sich erst in Besorgnis, dann in pure Wärme. Fast fühlte es sich an, als würde er mich mit seinem Blick streicheln. Max’ Lippen mochten sich toll angefühlt haben, aber diese Augen …
Ich sollte etwas sagen, mich von ihm lösen oder ihn zumindest von mir schieben. Etwas tun, das den Bann brach. Doch ich wollte nicht, dass dieser Moment jemals endete. Ich wollte die Wärme nicht verlieren, mit der mich sein Blick erfüllte, wollte nicht auf das Gefühl der Sicherheit verzichten, das mir seine Nähe gab. Und ganz sicher wollte ich nicht in die kalte Einsamkeit zurückgestoßen werden, die mein Leben sonst war. Hier, in diesem Moment, in Skylers Armen und mit seinem Blick auf mir, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, vollständig zu sein. Ganz. Geheilt. So sollte das Leben sein. Warm und prickelnd.
Dann küsste er mich.
Im ersten Moment fühlte es sich an, als hätte mich ein Blitz getroffen. Ich wusste, dass es falsch war, doch ich konnte mich nicht länger gegen meine Gefühle wehren. Skyler war mir während der letzten Tage näher gekommen als jeder andere Mensch während der letzten Jahre. Sogar noch näher als Jake damals. Er war in meinem Herzen und ich wollte zumindest für einen Moment so tun, als könne er dort auch bleiben.
Seine Lippen waren warm und weich und längst nicht so forsch, wie er sich oft gab. Tatsächlich
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