Die Fluchweberin
geschuldet war oder lediglich der Tatsache, dass ihre Freundinnen nicht die waren, für die sie sie die ganze Zeit über gehalten hatte. Ich nahm mir vor, die Sache weiter im Auge zu behalten und notfalls noch einmal einzugreifen. Vielleicht konnte ich ja auf Tanya und die anderen einwirken.
Aber wem machte ich etwas vor? Ich konnte nicht die ganze Schule mit Flüchen belegen, bis sich jeder so benahm, wie es mir gefiel. Die einzige Wahl, die ich hatte, war, Kims Fluch aufzuheben oder ihn bestehen zu lassen.
Am Sonntagnachmittag saß ich mit Skyler in einem der Aufenthaltsräume. Er hatte Chips, Cola und eine DVD mit einem Zombieschocker organisiert, und zum ersten Mal seit Tagen gelang es mir, Kim, den verdammten Fluch und seine unheimlichen Ergebnisse wenigstens für kurze Zeit zu vergessen.
Wir saßen nebeneinander auf der Couch, Skyler hatte die Vorhänge vorgezogen und ich merkte, wie er unauffällig immer näher zu mir heranrückte. Irgendwann legte er den Arm hinter mir auf die Lehne. Ich wartete mit klopfendem Herzen darauf, dass er weitergehen würde, doch das tat er nicht. Nach einer Weile entspannte ich mich, lehnte mich zurück und richtete meine Aufmerksamkeit auf den Film. Der Streifen war nicht gerade ein Highlight cineastischer Kunst, aber ideal, um das Gehirn abzuschalten und sich einfach von den flimmernden Bildern berieseln zu lassen. Zufrieden verfolgte ich das Geschehen auf dem Bildschirm und unterdrückte ein Stöhnen, als ich plötzlich einen heftigen Druck hinter meinen Augen verspürte.
Was zum …?
Gerade eben hatte mir nicht das Geringste gefehlt und von einem Moment auf den anderen hatte ich das Gefühl,jemand versuchte mir die Schädeldecke abzusprengen. Das konnte doch unmöglich sein. Ich hatte doch gar keine Neigung zu … Verflucht! Nein!
Mein Puls begann zu rasen und das Letzte, was ich spürte, bevor ich in Kims Geist gerissen wurde, war, wie mein eigener Körper erstarrte. Das Nächste, was ich sah, war Max, der mir tief in die Augen schaute. Nicht mir – Kim. Die beiden saßen auf einem Bett, angesichts der Unordnung und der im Regal stehenden Trophäen musste es sich dabei um Max’ Zimmer handeln, und hielten Händchen. Die Berührung seiner Finger auf Kims Hand fühlte sich an, als wäre es meine eigene. Oh Mann, ich musste schnellstens wieder aus ihrem Kopf verschwinden, wer konnte schon wissen, was die beiden als Nächstes tun würden. Was auch immer es war, ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich dabei sein wollte.
Mit der freien Hand wickelte Max spielerisch eine von Kims blonden Strähnen um den Finger. »Willst du mir jetzt endlich verraten, was in den letzten Tagen mit dir los war?«
Kims Gedanken stürzten in einem wilden Durcheinander auf mich ein, das es mir schwer machte, mehr herauszuhören, als dass sie nicht darüber sprechen und die vergangenen Tage am liebsten aus ihrer Erinnerung streichen würde. »Was soll los sein?«
Sie klang nicht sonderlich überzeugend. Das war auch Max nicht entgangen. »Nimm es mir nicht übel, aber du … Führst du etwas im Schilde?«
Ruckartig setzte Kim sich auf. Ich konnte spüren, wie sich ihre Muskeln anspannten und ihre Beine zuckten, als wolle sie aufspringen. Sie war ehrlich entsetzt, dass Max ihr Hintergedanken unterstellte. »Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Was ist es dann?« Er hörte auf, mit ihrem Haar zu spielen, und sah ihr fest in die Augen. »Du bist plötzlich nett zu Leuten, die du sonst nicht einmal angesehen hast.«
Mein Gott, schoss es Kim durch den Kopf. Er glaubt wirklich, dass ich mich aus Berechnung so verhalte. Vor ein paar Tagen wäre das auch durchaus noch denkbar gewesen. Kim ahnte jedoch nichts davon, dass ihre Wandlung nicht aus ihr selbst kam. Max’ Worte hatten sie verletzt. Zugleich spürte ich, dass sie ihm nicht wirklich böse sein konnte. So wie sie sich bisher verhalten hatte, lag seine Vermutung durchaus nahe.
Es war wirklich unglaublich, Kims Gedanken und Gefühlen zu folgen und zu sehen, wie fantastisch mein Fluch wirkte. Sie schöpfte immer noch nicht den geringsten Verdacht. Weniger unglaublich war es, dass es mir nicht gelungen war, die Verbindung zwischen uns zu trennen, und ich mich einmal mehr in ihrem Kopf befand.
»War ich wirklich so schlimm?«, riss Kim mich aus meinen eigenen Gedanken.
»Nett warst du jedenfalls nicht.« Ein Lächeln nahm Max’ Worten die Schärfe. Einmal mehr fragte ich mich, was er in Kim sah. Er wusste, wie sie andere behandelte und was
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