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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Härchen auf meinem Handrücken richteten sichauf und einen Herzschlag später spürte ich erneut ein leises Prickeln. Ich hielt inne, ließ meine Hand neben meinem Kopf in der Luft schweben und wartete, ob es mir erneut einen Schlag verpassen würde. Meine eigene Aura! Verräterisches Ding! Aber dieses Mal geschah nichts. Nicht einmal, als die farblosen Lohen meine Hand streiften und darüberstrichen.
    Ein oder zwei Minuten verharrte ich, ohne dass sich etwas veränderte. Es war meine Aura und sie fühlte sich an wie immer.
    Ich ließ den Arm sinken und sah mich im Bad um. Die Fliesen unter meinen nackten Füßen waren feucht, doch es gab nirgendwo eine Quelle, die mich hätte unter Strom setzen können. Der Föhn lag draußen im Zimmer und sonst gab es hier keine elektrischen Geräte.
    Ein dunkler Schatten, dunkler als der Rest meiner Aura, traf mich im Augenwinkel und ich wandte meinen Blick zum Spiegel zurück, nur um zu sehen, wie er umso weiter schwand, je direkter ich mein eigenes Abbild ansah. Aber da war etwas gewesen. An meinem Hals.
    Ich drehte mich vom Spiegel weg und ließ meine Augen zur Seite wandern, bis ich den ersten Ausläufer meines Spiegelbilds sehen konnte. Dann hielt ich inne. Meine Augen begannen zu brennen, aber endlich konnte ich etwas erkennen.
    Es sah aus wie ein Gegenstand, der unter einem Glamour, einem Tarnzauber, verborgen war. Und ich hätte schwören können, dass es sich dabei um die Kette aus meinem Traum handelte.
    Ich schloss meine Lider und tastete mit meinem Geist danach. Ich verstärkte meine Konzentration, rief mir die dunklen Umrisse ins Gedächtnis und spürte ihnen nach. Ein Vibrieren erfasste meinen Körper. Ich richtete meinenGeist auf die Umrisse, die ich gesehen hatte, ließ sie vor meinem inneren Auge entstehen, als wären sie wirklich. Langsam hob ich den Arm, ließ die magische Energie meine Hand führen, die die Luft um mich herum erfüllte. Fast schon bedächtig bewegte ich meine Finger – und hielt erschrocken inne, als sie gegen etwas stießen. Vorsichtig streckte ich meine Hand danach aus. Ich dachte schon, ich hätte es mir nur eingebildet, dann jedoch spürte ich es erneut. Kaum mehr als ein Gespinst, das sich um meinen Hals gelegt hatte. Behutsam tastete ich daran entlang. Sobald ich sicher war, es zu erwischen, packte ich zu und zerrte daran.
    Ein zorniger Schrei erfüllte die Luft, und noch ehe das letzte Echo verklungen war, schoss ein Blitz in meine Hand und schleuderte mich zurück. Ich prallte mit dem Rücken gegen die Fliesen und ging keuchend zu Boden. Benommen starrte ich auf mein Spiegelbild, ohne etwas anderes als meine eigenen erschrockenen Züge darin wahrzunehmen. Ich drehte den Kopf zur Seite, bis ich im Spiegel einmal mehr den Schatten um meinen Hals wahrnehmen konnte, dann streckte ich meine Finger danach aus. Sosehr ich mich auch bemühte, das Etwas zu fassen zu bekommen, es wollte mir nicht gelingen. Der Aufprall hatte meine Konzentration gebrochen und mich in die normale Sicht zurückkehren lassen. Ich musste wieder auf die Aurensicht wechseln. Aber es funktionierte nicht. Mein Rücken schmerzte und ich war so benebelt, dass es mir nicht einmal gelingen wollte, meine eigene Aura zu erfassen. Ich zwang mich, tief durchzuatmen und mich zu beruhigen, doch auch das half nichts.
    Ich kämpfte mich auf die Beine und griff nach meinen Sachen. Vorsichtig und ein wenig umständlich zog ich mich an. Wenn ich es noch einmal versuchte, wollte ich wenigstens nicht nackt sein. Ich fühlte mich auch so schon ausgeliefert genug.
    Die warme Trainingshose und der Kapuzensweater waren zwar keine Rüstung, trotzdem fühlte ich mich ein wenig sicherer, sobald ich den Stoff auf meiner Haut spürte. Lediglich an meinem Rücken schmerzte selbst diese leise Berührung.
    Mir war schwindlig und meine Knie zitterten so sehr, dass ich mich setzen musste. Aber nicht hier! Die Vorstellung einer weiteren Konfrontation schmeckte mir nicht, noch weniger aber gefiel mir der Gedanke, einmal mehr gegen die Fliesen geschleudert zu werden. Mit unsicheren Schritten verließ ich das Bad und ließ mich draußen auf meinem Bett nieder.
    Eine Zeit lang saß ich vornübergebeugt da, den Kopf halb zwischen den Knien, und konzentrierte mich auf nichts anderes als meinen Atem. Nur langsam flaute der Schmerz auf ein erträgliches Maß ab, meine Angst jedoch blieb.
    Es kostete mich unendliche Kraft, mich wieder aufzurichten, und all meinen Mut, aufzustehen und zum Schrank zu gehen.

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