Die Fluchweberin
er sein Training sausen lassen, um bei mir zu sein. Da ich ihn nicht um seinen Sport bringen wollte, suchte ich mir einen Platz ganz oben auf der Tribüne und beobachtete von dort aus das Training.
Unten am Spielfeldrand saß Kim. Zu meinem Erstaunen war sie allein, und statt Max anzufeuern, bedachte sie ihn lediglich mit sehnsüchtigen Blicken. Bisher hatte sie mich nicht bemerkt, und sobald ich sie sah, sorgte ich dafür, dass das auch so blieb, indem ich mich noch weiter nach oben, in den Schatten einer Säule, verzog, die hier in regelmäßigen Abständen das Dach stützten.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, etwas zu lesen oder Hausaufgaben zu machen. Kims Anwesenheit brachte mich jedoch dazu, meine Aufmerksamkeit auf meine Umgebung zu richten, was in erster Linie bedeutete, sie im Auge zu behalten und hin und wieder einen Blick auf das Spielfeld zu werfen. An sich hatte ich mich nie sonderlich für Basketball interessiert, allerdings musste ich zugeben, dass es durchaus Spaß machte, Skyler auf dem Feld zu beobachten. Im Gegensatz zu seinen Teamkameraden spielte er nichtim Mannschaftsdress, sondern in einem Shirt mit langen Ärmeln. Offensichtlich hatte der Sparzwang auch das Basketballteam getroffen, sodass es nicht genügend Trikots gab. Hätte ich nicht so große Angst gehabt, Kim könne jeden Moment wieder auf mich losgehen oder ich würde einmal mehr in ihren Geist gerissen, wäre es mir deutlich schwergefallen, meinen Blick von seiner athletischen Gestalt loszureißen.
Während ich abwechselnd Kim und Skyler beobachtete, kehrten die Kopfschmerzen zurück. Unglücklicherweise hatte ich keine Tabletten mehr in meiner Tasche. Ich würde später welche aus meinem Zimmer holen, sobald Skyler mit dem Training fertig war und mich begleiten konnte. Bis dahin musste ich das Pochen aushalten – auch wenn es sich immer mehr zu einem Hämmern steigerte.
Kurz vor Ende des Trainings, als die Jungs sich abklatschten und vom Spielfeld in die Kabine liefen, nahm ich meine Tasche und verzog mich hinter die Säule. Skyler holte seine Wasserflasche vom Spielfeldrand, schraubte sie auf und nahm einen langen Zug. Während er trank, sah er unauffällig in meine Richtung. Fast glaubte ich die Frage in seinem Blick zu erkennen. Kommst du zurecht? Als ich nickte, setzte er die Flasche ab, sagte etwas zu Max und joggte aus der Halle.
Vorsichtig spähte ich um die Ecke und hielt nach Kim Ausschau. Sie hatte mich noch immer nicht bemerkt. Sie war aufgestanden und ging zu Max, der als Einziger noch auf dem Feld war und die Bälle einsammelte.
Er wollte mit dem Ballnetz an ihr vorbei, doch sie stellte sich ihm in den Weg.
»Was willst du noch?« Niemals zuvor hatte ich einen derart kalten Ton von ihm gehört. Seine gesamte Haltung, seine Mimik und Gestik drückten Verachtung aus.
»Wir müssen reden.« Kims Stimme klang höher als gewöhnlich, fast schon verzweifelt. »Du kannst doch nicht …«
»Es ist alles gesagt, Kim. Du bist zu weit gegangen, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Geh jetzt.« Er hob die Hand und deutete auf die Tür.
Kim zögerte kurz, dann straffte sie die Schultern und schob das Kinn vor. »Mein Training fängt gleich an, ich muss los.« Sie machte kehrt und stürmte aus der Halle. Als die Tür hinter ihr zuknallte, atmete ich auf, blieb aber sicherheitshalber hinter der Säule verborgen.
»Raine?«, hörte ich Max rufen. »Bist du noch da?«
Ich kam aus meinem Versteck hervor und ging zu ihm nach unten. »Tut mir leid, ich wollte euch nicht belauschen.«
»Ich hab schon gesehen, dass du dich vor ihr versteckt hast.«
»Hast du sie deshalb so abgebügelt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein.« Dann nickte er. »Doch, ja. Aber nicht nur. Kim und ich, wir sind fertig miteinander.«
»Meinetwegen?«
Max ließ das Ballnetz fallen und griff nach meiner Hand, die Augen auf meine Finger gerichtet. »Ja, letztlich deinetwegen«, flüsterte er. »Ihr gestriger Angriff war der letzte Tropfen. Ich hätte längst erkennen müssen, dass Kim nichts für mich ist.«
Ich war so überrascht, dass ich ihm nicht einmal meine Hand entzog. Stattdessen starrte ich ihn nur an, während sein Blick noch immer auf unsere Hände gerichtet war. Als er schließlich aufsah und unsere Blicke sich trafen, lächelte er ein wenig verlegen. »Hast du schon Pläne für den Herbstball?«
»Das ist noch ziemlich lange hin«, sagte ich. »So weit möchte ich noch gar nicht denken.«
»Okay, wie wäre es, wenn du bis zum
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