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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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weite Strecken durchhalten würde, doch das musste er auch nicht, so rasend schnell, wie er aufholte.
    Ich trieb mich an, schneller zu laufen, aber ich war müde, mein Rücken schmerzte und jeder Atemzug brannte in meinen Lungen. Mir war längst bewusst, dass es kein Entkommen mehr gab, trotzdem dachte ich nicht daran, einfach aufzugeben, solange noch ein Wunder geschehen konnte.
    Das Wunder blieb jedoch aus.
    Weder tat sich der Erdboden auf, um Skyler zu verschlingen, noch stolperte er oder verlor mich aus den Augen. Als sich der Abstand zwischen uns auf fünf Meter verkürzt hatte, sah ich mich nicht mehr um. Den Blick starr geradeaus gerichtet rannte ich weiter, während ich spürte, wie er unaufhaltsam näher kam.
    Seine Finger schlossen sich um meinen Arm. Ich versuchte mich loszureißen. Dabei rutschte mir der Rucksack von den Schultern und brachte mich aus dem Gleichgewicht. Ich geriet ins Stolpern und fiel. Dass ich Skyler dabei mit mir riss, änderte nichts an meiner Situation. Tatsächlich verschärfte es die Lage sogar noch, denn er stürzte auf mich und nahm mir die letzte Hoffnung auf ein Entkommen.
    Keuchend wälzte ich mich auf den Rücken, versuchte mich unter ihm zu befreien, doch er war meiner Bewegung gefolgt und über mir zum Liegen gekommen.
    Während ich mich noch freizukämpfen versuchte, sprang er bereits wieder auf die Beine, packte mich am Arm und zog mich mit sich hoch. Der Rucksack glitt über meinen Arm und fiel ins Gras. Ein scharfer Schmerz fuhr durchmeinen geschundenen Rücken, als Skyler mich gegen einen Baumstamm drängte. Er schob sich so dicht vor mich wie vorhin in seinem Zimmer. Ich konnte mich kaum noch bewegen und war mir ziemlich sicher, dass es dieses Mal nichts geben würde, mit dem ich ihn so sehr überraschen konnte, dass er von mir abließ.
    Ich wartete darauf, dass er mir Handschellen anlegte oder sein Handy zückte, um die Kavallerie zu rufen, damit die mich für immer aus der Welt verschwinden ließen. Vielleicht hätte ich wenigstens versuchen sollen, mich zu wehren, doch mir fehlte einfach die Kraft dazu. Ich fühlte mich zerschlagen und gebrochen, spürte jede einzelne schmerzende Stelle in meinem Körper, bei meinem Rücken angefangen bis hin zu meiner brennenden Kehle und den Lungen. Schlimmer jedoch als der Schmerz war Skylers Anblick zu ertragen. Da ich wusste, dass ich es nicht konnte, senkte ich den Blick.
    Ich zitterte und hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten, einzig Skylers Griff an meinen Schultern hielt mich noch aufrecht. »Bitte …«, flüsterte ich und wusste nicht, worum ich ihn eigentlich bitten wollte. Darum, dass ich mich setzen durfte, oder darum, dass er dem Ganzen ein schnelles Ende bereitete. Vermutlich konnte ich auf nichts davon hoffen.
    »Raine.« Seine Stimme klang heiser und so sanft, dass ich unwillkürlich aufsah. Was ich in seinen Zügen fand, war nicht das, was ich erwartet hatte. Keine Abscheu und kein Hass. Nicht einmal Ablehnung oder Wut. Stattdessen lag dieselbe Wärme in seinen Augen, mit der er mich seit seiner Ankunft in Holbrook Hill angesehen hatte. Doch da war noch mehr. Bedauern? Sorge? Es fiel mir schwer, seinen Blick einzuordnen, ich war schon einmal auf ihn hereingefallen und jetzt traute ich meiner Menschenkenntnis nicht mehr.
    Wie konnte er ein Sucher sein? Ausgerechnet er!
    Das war so unfair! Als wäre mein Leben nicht auch so schon beschissen genug, würde mich ausgerechnet der Junge, in den ich mich verliebt hatte, ans Messer liefern.
    »Du hast mich die ganze Zeit über benutzt und belogen«, brachte ich hervor, nicht länger fähig, meinen Blick von ihm abzuwenden.
    Skyler schüttelte den Kopf. »Nicht die ganze Zeit, nein.«
    »Ach ja? Was war echt? Dein Name? Viel mehr dürfte es wohl nicht sein.«
    »Du bringst mich wirklich in eine ernsthafte Zwickmühle, Raine.« Er sprach noch immer leise, als versuche er, seine belegte Stimme vor mir zu verbergen.
    Ich sagte nichts.
    »Du kennst jetzt meine wahre Identität und du hast versucht mich zu erpressen. Verflucht, warum hast du das getan?«
    Ich schwieg weiter. Was hätte ich darauf auch erwidern sollen? Dass ich Angst um mein Leben hatte? Das konnte er sich vermutlich auch so denken.
    »Denkst du wirklich, dass ich dir etwas antun würde, nur weil du mich verraten könntest?«
    Du weißt genau, dass das nicht meine einzige Angst ist. Um ein Haar hätte ich es ausgesprochen, dann jedoch begriff ich es. Was ich vorhin nur gehofft hatte, war wahr: Er wusste es

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