Die Fluchweberin
Lächeln des Skyler, in den ich mich verliebt hatte und das es mir schwer machte, meine Gefühle für ihn einfach so abzustreifen. Wie eine alte Haut. Als er sich zu mir beugte, um mich zu küssen, wich ich zurück.
Einen Moment lang musterte er mich, als suche er in meinen Zügen nach dem Grund meiner Ablehnung, dannnickte er. »Es war alles ein bisschen viel.« Er drückte sanft meine Hand, dann gab er sie frei und hielt mir meinen Rucksack hin. »Schlaf ein paar Stunden. Ich werde dir morgen alles erklären.«
Ich schlüpfte ins Haus und rannte nach oben in mein Zimmer. Sobald die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, sperrte ich ab und schaltete das Licht an. Dann tastete ich nach der Kette um meinen Hals – und griff ins Leere.
22
In dieser Nacht träumte ich zum ersten Mal nicht von meinen Eltern. Stattdessen verfolgte mich Skyler in den Schlaf. Anfangs war er noch der Junge, den ich kennengelernt und in den ich mich verliebt hatte. Wir standen in einem sonnigen Park und küssten uns immer wieder. Seine Hände lagen warm und weich auf meinem Gesicht, sein Blick war so zärtlich, dass es in meinem Bauch kribbelte. Dann jedoch veränderte sich etwas. Als Erstes fiel mir auf, dass es plötzlich dunkel wurde. Doch es waren nicht etwa Wolken, die die Sonne verdeckten, sondern Skyler, der sich vor meinen Augen in einen drei Meter großen, tätowierten Sucher verwandelte. Ein Monster, das sich mit offenem Rachen über mich beugte, um mich zu verschlingen.
Schreiend fuhr ich hoch. Das Herz schlug mir bis zum Hals und mein Puls raste derart, dass ich fürchtete, mir würde jeden Moment schwarz vor Augen werden. Mit klopfendem Herzen und nach Luft schnappend lag ich im Dunkeln und starrte an die Decke. Während ich noch darauf wartete, dass mein Körper wieder auf Normalbetrieb herunterfuhr, zog sich neben mir ein Schemen zusammen. Es war, als würden sich die unterschiedlichen Grautöne der Nacht mehr und mehr verdichten, bis sie eine Gestalt formten. Dieselbe verschwommene Erscheinung, die mir schon letzte Nacht in meinen Träumen erschienen war. Jene Erscheinung, von der ich mir längst nicht mehr sicher war, ob sie wirklich nur meiner Einbildung entsprungen sein konnte.
Er saß jetzt neben mir auf der Bettkante. Seine schattenhaften Finger strichen mir über die Stirn, fühlten sich warm und kalt zugleich auf meiner Haut an. »Es ist nur einTraum«, wiederholte er die Worte von letzter Nacht. »Nur ein Traum. Schon bald wird alles gut sein. Dann ist dein Schmerz vergessen.«
Seine Worte hätten mich beruhigen sollen, bei einem Teil von mir zeigten sie tatsächlich Wirkung, doch ein anderer Teil meines Bewusstseins wollte sich nicht einlullen lassen. Du hast mich verzaubert! , schoss es mir durch den Kopf, doch die Worte wollten mir nicht über die Lippen kommen. Kein Laut entfuhr meinem Mund, keine Bewegung ließen meine Muskeln zu. Ich lag da wie gelähmt und konnte nichts anderes tun, als auf die verschwommene Gestalt zu starren und ihrer Stimme zu lauschen, deren Worte mich so gar nicht zu beruhigen vermochten.
Als sich die Gestalt vor meinen Augen in Nebel auflöste, verblassten mit ihr auch meine Träume. Ich glitt in einen tiefen, traumlosen Schlaf, der erst mit dem Piepen des Weckers sein Ende fand.
Minutenlang starrte ich auf den kleinen rechteckigen Kasten, dessen Weckton ich schon so lange nicht mehr gehört hatte. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal von meinem Wecker statt von meinen Träumen aus dem Schlaf gerissen worden war.
Obwohl ich nur wenige Stunden Ruhe gehabt hatte, fühlte ich mich erstaunlich erholt. Zumindest bis zu dem Moment, in dem ich aus dem Bett stieg. Die schemenhafte Gestalt mochte ein Traum gewesen sein, die Schmerzen, die bei jeder Bewegung durch meinen Körper schossen, waren hingegen sehr real. Mein Kopf hämmerte, als hätte jemand einen durchgedrehten Trommler in meinem Schädel ausgesetzt, und mein Rücken schmerzte. Als ich ihn mir im Spiegel besah, wunderte mich das nicht. Von den Schulterblättern abwärts war meine Haut über und über von schillernden Blutergüssen überzogen, die sich bei jeder Bewegungbemerkbar machten. Eine heiße Dusche könnte zumindest meine angespannten Muskeln ein wenig lockern, den Rest würden hoffentlich die Schmerztabletten in den Griff bekommen.
Während ich im Bad war, vermied ich es, meinen Hals im Spiegel zu betrachten oder gar in Aurensicht zu wechseln. Meine Angst, erneut angegriffen zu
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