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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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erzählen konnte, griff Skyler in seine Tasche und zog etwas daraus hervor, das von der Form her an ein metallenes Tablettenröhrchen erinnerte. Bevor ich reagieren konnte, setzte er es mir an den Hals. Ein Zischen erklang, dann spürte ich einen scharfen Stich, gefolgt von einem Brennen. Eine Injektionspistole!
    Unwillkürlich rieb ich mit der Hand über die Einstichstelle.
    »Keine Angst«, versuchte Skyler mich zu beruhigen. »Das vergeht gleich.«
    Halb rechnete ich damit, dass er mich betäubt hatte und ich jeden Moment das Bewusstsein verlieren musste, doch warum sollte er das tun, wenn ich mit ihm zusammenarbeiten sollte?
    Mir wurde nicht schwindlig und ich fiel auch nicht in Ohnmacht. Als das Brennen nachließ, glaubte ich etwas unter meiner Haut zu spüren, sobald ich mit dem Finger darüberfuhr. Ein Fremdkörper, wie ein Splitter. »Was ist das?«
    »Ein Sender.« Skyler verstaute die Injektionspistole wieder in seiner Tasche. »Damit kann ich dich jederzeit finden.«
    Ich starrte ihn an. Sein beruhigendes Lächeln verschwamm hinter den Tränen, die mir das Entsetzen in die Augen trieb. »Was? Aber ich dachte …« Ich dachte, du vertraust mir. Ich dachte, wir arbeiten zusammen. Und ich könnte dir entkommen.
    »Es ist zu deiner eigenen Sicherheit.« Er strich mir sanft über den Arm. »Stell dir vor, dir passiert etwas und ich kann dich nicht finden, um dir zu helfen.«
    Als Kim mich in die Putzkammer gesperrt hatte, hätte ich mir durchaus gewünscht, er hätte mich eher gefunden. Jetzt jedoch, wo ich meine Geheimnisse vor ihm bewahren musste, konnte ich es mir nicht erlauben, überall und jederzeit auffindbar zu sein. »Was soll denn schon passieren?«
    »Das weiß man nie, wenn es um Magie geht.«
    Er hob meinen Rucksack auf, schwang ihn sich über eine Schulter und hielt mir die Hand hin. Ich ergriff sie nicht. Zum einen, um die Distanz zwischen uns zu schaffen, die ich brauchte, um meine Gefühle für ihn niederzukämpfen, zum anderen, weil ich nicht wollte, dass er bemerkte, wie sehr ich immer noch zitterte.
    Er ließ den Arm sinken, wartete aber, bis ich neben ihn trat. Seite an Seite gingen wir über die Wiese, zurück zum Internatsgelände. Skyler half mir auf die Mauer, wofür ich ihm dankbar war, denn mittlerweile war ich so fertig, dass ich es aus eigener Kraft kaum noch geschafft hätte. Als er mir auf der anderen Seite wieder herunterhalf, ließ er auch danach meine Hand nicht mehr los. Ich wollte ihm meine Finger entziehen, doch mir fehlte die nötige Energie.
    Wir hatten die Mauer noch nicht weit hinter uns gelassen, als mir bewusst wurde, dass ich die Last an meinem Hals wieder spürte. Zuerst hatte ich es für die Nachwirkungen der Injektion gehalten, jetzt jedoch wurde mir mehr und mehr bewusst, dass es dasselbe Gefühl war, das mich schon den ganzen Tag über begleitet hatte. Nur dass es dieses Mal noch deutlicher war. Schwerer als je zuvor. Unwillkürlich fuhr ich mir über den Hals – und spürte kühle Kettenglieder unter meinen Fingerspitzen. Nur dass ich gar keinen Schmuck trug.
    Um ein Haar hätte ich laut nach Luft geschnappt. Es gelang mir gerade noch, den überraschten Laut herunterzuschlucken, der mir über die Lippen schlüpfen wollte. Trotzdem entging es Skyler nicht.
    »Was ist los?«
    »Nichts.« Meine Hand lag noch immer auf meinem Hals. Selten hatte ich mich derart zerrissen gefühlt wie in diesem Augenblick. Womöglich war Skyler der Einzige, der mir helfen konnte. Gleichzeitig fürchtete ich mich davor, ihm von meinem Problem zu erzählen. Ich brauchte Zeit, um in Ruhe über alles nachzudenken.
    Zu meiner Erleichterung deutete er die Hand an meinem Hals falsch. »Das Brennen hört bald auf«, versprach er. »Es tut mir wirklich leid, aber mit dem Sender bist du einfach sicherer.«
    Er sagte noch mehr, doch ich hörte gar nicht mehr hin. Meine Aufmerksamkeit gehörte der Kette, die ich an meinem Hals ertastete. Das Gewicht, das mich den ganzen Tag unsichtbar begleitet hatte und das sich jetzt zum ersten Mal manifestierte. Obwohl ich neugierig war, wagte ich nicht, sie unter meinem Kragen herauszuziehen, solange Skyler bei mir war. Wenn er erkannte, dass sie mit einem Zauber belegt war … Nein, das war zu riskant. Ich konnte nur hoffen, dass ihm keines seiner Tattoos etwas von der Magie verriet.
    Vor der Tür des Mädchenwohnheims blieben wir stehen. Skylers Blick fing den meinen ein und hielt ihn fest. Ein Lächeln stahl sich in seine Züge, das jungenhaft charmante

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