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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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bist?«
    Er sah sich in der Teeküche um, in der es geschäftig brummte. »Zu viele Leute«, sagte er leise und schob mich vor sich her in eine etwas ruhigere Ecke des benachbarten Aufenthaltsraums. »Wir treffen uns nach dem Unterricht, wenn alle anderen in der Bibliothek oder beim Sport sind.«
    »Sollten wir nicht auch …« In den letzten Tagen war ich viel zu oft nicht in der Bibliothek gewesen, sodass es eigentlich nur eine Frage der Zeit war, bis es einem Lehrer auffiel und ich Ärger bekam, weil ich mit meinem Lernpensum hinterherhing. Von den Hausaufgaben, die ich in den letzten Tagen immer mehr hatte schleifen lassen, ganz zu schweigen.
    »Keine Bange, ich sorge schon dafür, dass du keine Probleme bekommst.« Er streckte die Hand nach mir aus, ließ sie jedoch wieder sinken, als er sah, wie ich zurückwich. »Es tut mir wirklich leid, dass ich dir solche Angst eingejagt habe. Das war das Letzte, was ich wollte, doch wenn man deine Geschichte bedenkt, ließ es sich wohl nicht vermeiden.«
    Meine Geschichte. Mein Leben. Oder das, was nach dem Einsatz seiner Leute davon übrig geblieben war. Trotzdem zwang ich mich zu einem Nicken. »Schon in Ordnung, ich habe es überwunden.« Glatt gelogen, aber lieber wollte ich ihn in dem Glauben lassen, dass alles bestens war, als in ihm den Verdacht wecken, ich könne ihm womöglich Schwierigkeiten machen.
    In einer um Verzeihung heischenden Geste berührte er mich am Arm. Seine Nähe verfehlte ihre Wirkung nicht. Die Wärme seiner Hand drang durch den Stoff meiner Bluse und weckte nicht nur den Wunsch in mir, mich in seinen Armen zu verkriechen, sondern auch, ihm alles zu erzählen. Angefangen bei meinem missglückten Fluch bis hin zu dem Zauber, der auf mir lag und von dem ich fürchtete, dass er mich umbringen würde. Ich biss mir auf die Lippen und würgte jedes verräterische Wort herunter, das sich auch nur in die Nähe meiner Stimmbänder wagen wollte.
    Skyler war meine Reaktion auf seine Berührung nicht entgangen. Er zog seine Hand zurück. Die Kälte kehrte in meinen Arm zurück und mit ihr ein Gefühl der Leere, das mich um ein Haar dazu gebracht hätte, nach seiner Hand zu greifen.
    »Raine, ich …« Er sah sich nach allen Seiten um, dann schüttelte er noch einmal den Kopf. Es war nicht der passende Rahmen für ein Gespräch wie dieses. Zu viele Ohren, die etwas hören könnten, das nicht für sie bestimmt war.
    Den Rest des Nachmittags verbrachten wir beinahe ingewohnter Routine. Skyler wich wie üblich nicht von meiner Seite, trotzdem wirkte auch er ein wenig befangen und angespannt. Erst als wir uns nach dem Unterricht allein im Aufenthaltsraum trafen – er hatte extra einen im Haupthaus ausgewählt, weil er wusste, dass sich dort um diese Zeit niemand aufhalten würde –, schien die Anspannung von ihm abzufallen.
    Er warf seinen Rucksack auf einen Stuhl und drehte sich zu mir herum. Einen Moment lang musterte er mich eingehend, dann zog er mich an sich, und noch bevor ich etwas sagen oder tun konnte, fand ich mich in seiner Umarmung wieder. Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf an seine Schulter.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte er, das Gesicht in meinem Haar vergraben. »Ich wollte dir niemals Angst machen, das musst du mir glauben.«
    Wenn er die Wahrheit über mich erfuhr, würde ich rasch an Bedeutung verlieren. Natürlich sagte ich ihm das nicht. Ich schmiegte mich einfach in seine Arme und versuchte wenigstens für einen Moment so zu tun, als hätte es die letzte Nacht nicht gegeben.
    Als er mich schließlich freigab, schmerzte mein Rücken mehr als zuvor, doch das Gefühl der Geborgenheit für ein paar Augenblicke noch einmal zu spüren, war es wert.
    Skyler schloss die Tür und blieb unentschlossen stehen. Ihn, der sonst nie um Worte verlegen zu sein schien, so zu sehen, war ungewohnt. Zugleich gab es mir das Gefühl, dass er zwar ein Sucher, aber noch immer ein Mensch war. Wenn auch nicht länger der Mensch, mit dem ich meine Zeit verbringen sollte.
    »Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll«, durchbrach er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich das Schweigen, das schwer zwischen uns hing.
    Ich deutete auf seine Stirn. »Wie wäre es damit? Warum erzählst du mir nicht, wo du dir diese Platzwunde geholt hast?« Ich war so sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen, dass ich noch nicht einmal auf den Gedanken gekommen war, ihn danach zu fragen.
    Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Kein

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