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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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habe?»
    Ausnahmsweise log sie einmal nicht:
    «Nein. Nicht ganz.»
    Frau Grundberg nickte und senkte den Blick.
    «Wir gehen alle auf unterschiedliche Weise mit den Dingen um.»
    Sibylla nickte.
    «Ja. Sicher ... Danke, dass ich ein Weilchen hereinkommen durfte.»
    Sie ging in die Diele und zog sich ihre Schuhe an. Lena Grundberg saß nach wie vor in ihrem Sessel, und ohne dass eine von ihnen noch etwas sagte, öffnete Sibylla die Tür und verließ das Haus.
    Die Spaziergänge, die retteten sie. Sie lieferten ihr einen Grund, das Haus zu verlassen, und halfen ihr, mit all den dumpfen Teenagergrübeleien aufzuräumen. Sie lief durch die Randbezirke des Ortes und mied gewissenhaft die Imbissbude im Zentrum. Hultaryds natürlichen Treffpunkt für alle, die jemanden treffen wollten. Sibylla wollte das nicht. Wenn es nicht unbedingt nötig war, wollte sie schon lange niemandem mehr aus ihrer Klasse begegnen. In der Schule ließ es sich nicht vermeiden und das war mehr als genug.
    Am Ortsrand lag auch der Vereinshof des VMIJ. Des Vereins motorinteressierter Jugendlicher. Ein ziemlich heruntergekommenes zweigeschossiges Haus mit einer Autowerkstatt im Parterre. Die Lage des Vereinshauses entsprach auch der sozialen Stellung des Vereins in Hultaryd, woran die Mitglieder selbst nicht ganz unschuldig waren.
    Vielleicht wäre er ihr nie aufgefallen, wenn er sich nicht genau in dem Moment, als sie vorbeiging, über den Motor eines bunt lackierten Straßenkreuzers gebeugt und daran herumgebastelt hätte. Sie war ungefähr zehn Meter von ihm entfernt stehen geblieben und bewunderte das Kunstwerk. Das Auto war erbsen-grün und auf die hinteren Kotflügel züngelten Flammen zu. Sie hatte noch nie im Leben so etwas gesehen.
    Nachdem sie eine Weile unbemerkt geguckt hatte, richtete er sich auf und entdeckte sie.
    «Toll, was?»
    Er wischte sich mit einem Lumpen seine öligen Hände ab.
    Sie nickte.
    «De Soto Firedome. Neunundfünfzig. Hab ihn gerade erst aus der Autolackiererei zurückgekriegt.»
    Sie sagte nichts. Was gab es da auch zu sagen? Am meisten wunderte sie, dass es in Hultaryd jemanden gab, der so schöne Flammen malen konnte.
    «Willst mal Probe sitzen?»
    Als sie nicht antwortete, schlug er die Motorhaube zu und machte ihr ein Zeichen, dass sie kommen solle.
    «Guck mal. Das sind Lederbezüge.»
    Sie trat näher. Er wollte ihr tatsächlich sein Auto zeigen. Er wirkte nicht besonders gefährlich, und sie hatte noch nie in einem Straßenkreuzer gesessen. Der Typ war um einiges älter als sie, bestimmt mindestens vier Jahre, und sie konnte sich nicht erinnern, ihn schon einmal gesehen zu haben.
    Er warf den Lumpen hin, wischte sich aber sicherheitshalber die Hand noch an seiner Arbeitshose ab, bevor er auf der Beifahrerseite die Tür öffnete und Sibylla aufforderte einzusteigen. Sie zögerte nur wenige Sekunden, und dann tat sie, was er sagte. Sie sank wie in einen Sessel ein.
    «Geil, was? Ein V8 mit dreihundertfünf PS.»
    Sie lächelte ihn ein wenig an.
    «Ui. Toll!»
    Er ging um den Wagen herum und öffnete die Tür auf der Fahrerseite.
    «Kommst du an die Decke auf dem Rücksitz ran?»
    Sibylla drehte sich um und guckte. Sie nahm die braun ka-rierte Decke, reichte sie ihm und er breitete sie über den Fahrersitz, bevor er hineinsprang.
    «Wollen wir eine Spritztour machen?»
    Sie starrte ihn an. Er hatte schon den Schlüssel herumgedreht.
    «Ich weiß nicht... Ich glaube, ich muss jetzt nach Hause.»
    Der Motor brummte. Der Typ drückte auf einen Knopf und ihr Fenster glitt herunter.
    « Elektrisch. Willst mal probieren?»
    Sie drückte auf den Knopf und das Fenster ging wieder zu. Als sie ihn wieder ansah, hatte er zwei Lachgrübchen auf den Wangen. Er legte einen Gang ein und ließ seinen Arm auf ihrer Rückenlehne ruhen. Ihr klopfte das Herz. Selbst wenn dieser Arm hinter ihrem Kopf nur da lag, weil es praktisch war, empfand sie diese Geste als irgendwie intim. Den Blick zur Heckscheibe hinausgerichtet, setzte er rückwärts auf die Straße.
    Wie war sie hierher gekommen? In einen Straßenkreuzer mit einem wildfremden Menschen.
    Wenn nun jemand sie sah?
    «Ich kann dich nach Hause fahren. Wo wohnst du?»
    Sibylla schluckte.
    «Nein», erwiderte sie rasch. «Wir machen eine kleine Spritztour.»
    Sie fuhren in den Ort. Sibylla sah den Typen verstohlen an. Er hatte Öl im Gesicht.
    «Ich heiße übrigens Micke. Wir geben uns vielleicht nicht die Hand. Wenn du dich nicht ölig machen willst.»
    «Sibylla», sagte sie

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