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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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Tat ein besseres Gefühl gewesen, wenn er sich eine Frau ausgesucht hätte, die ...»
    Plötzlich versagte ihr die Stimme. Sie schlug die Hand vors Gesicht und fing an zu schluchzen.
    Sieh an! Von diesen Marmorschwestern hatte zumindest eine ein paar Gefühle. Man brauchte bloß ein bisschen am Make-up zu kratzen.
    Sie sann über das nach, was Frau Grundberg gesagt hatte. Fast bereute sie es, dass sie Herrn Grundberg nicht mit aufs Zimmer hatte kommen lassen. Aus purer Menschenfreundlichkeit.
    «Eine Frau, die sich mit Ihnen messen könnte?»
    Sie musste sich zusammenreißen, um ihre Gereiztheit nicht zu zeigen. Lena Grundberg hatte ihren neuen Tonfall bemerkt und schien sich sammeln zu wollen. Sie hatte den Mund aufgerissen und tupfte sich unter den Augen vorsichtig die Tränen ab, sodass sie ihr Make-up nicht ruinierte.
    «Ja. Das wäre in der Tat ein besseres Gefühl gewesen.»
    Sibylla betrachtete die Frau. Die war von einem Schlag, der ihr bisher noch nicht begegnet war.
    «Warum denn?»
    Sie war jetzt wirklich neugierig.
    «Sie waren es doch, die sich scheiden lassen wollte», fuhr sie fort.
    Frau Grundberg hatte sich wieder gefangen und lehnte sich in dem hässlichen Sessel zurück.
    «Ich verstehe, es mag selbstsüchtig wirken, aber es ist erniedrigend, von der Erstbesten ersetzt werden zu können. Sogar von einer hässlichen Hure in einem Hotel. Wie fürchterlich geschmacklos von ihm.»
    Sieh dich doch hier um, Mensch! Mein Rucksack ist, weiß Gott, noch geschmackvoller eingerichtet als dieses blöde Zimmer. Sitz bloß nicht da und erzähl was von gutem Geschmack!
    Sibylla schluckte zweimal.
    «Woher wissen Sie, dass sie eine Hure war?»
    Frau Grundberg schnaubte.
    «Das sieht man ihr doch an! Schauen Sie nur!»
    Sie hob eine Abendzeitung vom Fußboden auf und hielt sie Sibylla hin, die einen raschen Blick auf ihr Gesicht warf. Das Einzige, was noch genauso aussah, war die Nase.
    «Woher weiß die Polizei so sicher, dass es diese Frau war, die ihn umgebracht hat?»
    Lena Grundberg ließ die Zeitung wieder auf den Fußboden fallen.
    «Sie waren von der Rezeption aus zusammen nach oben gegangen, und am Morgen hatte sie sich durch die Absperrungen schleichen können. Das ist doch Beweis genug, sollte man meinen. Außerdem fanden sich mal hier, mal dort ihre Fingerabdrücke. Auf Jörgens Zimmerschlüssel zum Beispiel.»
    «Wenn sie es aber nicht war? Sind Sie sicher, dass er keine ...»
    Sie hielt in letzter Sekunde an sich, indem sie einen Hustenanfall vorschützte.
    ... Feinde in Lettland oder Litauen hat?
    Sie hustete noch eine geraume Weile, um ihren Fehlgriff zu vertuschen. Lena Grundberg erhob sich und holte ein Glas Wasser. Sibylla trank es dankbar.
    «Danke», sagte sie schließlich. «Sie müssen schon entschuldigen, aber ich leide an Asthma.»
    Frau Grundberg nickte und setzte sich wieder in ihren Sessel.
    «Keine was hat?»
    «Was?»
    «Ob ich mir sicher bin, dass er keine was hat?»
    «Feinde ... Oder so.»
    Lena Grundberg betrachtete sie. Es war wohl Zeit zu gehen. Sie hatte schon einen Ansatz gemacht, sich zu erheben, als die Frau ihr gegenüber aufschnaubte.
    «Sibylla!»
    Sie sagte es voller Verachtung, und Sibylla zuckte zusammen, als ob sie eine Ohrfeige bekommen hätte. Ihre Blicke begegneten sich. Sibylla blieb sitzen und schluckte.
    «Das hört man doch schon am Namen, dass sie es gewesen sein muss», rief Frau Grundberg aus. «Welcher normale Mensch hat schon einen solchen Namen?»
    Sibylla versuchte ein Schnaufen zu verbergen. Für einen kurzen Moment hatte sie Angst gehabt.
    «Ja, das kann man sich wirklich fragen», sagte sie kriecherisch lächelnd. «Der einzige Trost ist wohl, dass sie ihn hoffentlich nicht selber gewählt hat.»
    Lena Grundberg schnaubte erneut.
    Sibylla wollte weg von hier. Frau Grundberg war keine angenehme Gesellschaft, aber da sie sich nun schon so viel Mühe gemacht hatte, hierher zu kommen, wäre es idiotisch, wenn sie nicht versuchte, noch mehr Informationen zu bekommen.
    «Wie ist er denn gestorben?»
    Die andere Frau räusperte sich.
    «Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten. Dann hat sie ihm den Bauch aufgeschlitzt und die Eingeweide auf dem Boden verstreut.»
    Sie hätte genauso gut ein Kuchenrezept hersagen können.
    Sibylla brauchte Luft. Übelkeit durchwogte sie. Sie stand auf.
    «Ich muss jetzt gehen.»
    Die Witwe Grundberg blieb in ihrem Sessel sitzen.
    «Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass ich nicht Ihren Erwartungen entsprochen

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