Die Flüchtlinge des roten Mondes
phantastischen Literatur gemacht, so mit The King in Yellow von Robert W. Chambers, und war sofort davon begeistert. Später entdeckte sie die Welt der SF-Magazine und wurde das, was man einen SF-Fan nennen kann: Sie schrieb Leserbriefe an die Redaktionen von SF-Magazinen, kommunizierte mit anderen Fans, gab ein Fan-Magazin heraus, schrieb erste eigene Kurzgeschichten. Diese Phase schien beendet zu sein, als sie ihren ersten Mann – der dreißig Jahre älter war als sie – heiratete. Bald jedoch versuchte sie den Alltag der Ehe ein wenig bunter zu gestalten, indem sie an ihre früheren Interessen anknüpfte. Sie schrieb Kurzgeschichten und Romane, verkaufte diese auch, und allmählich wucherte das „Hobby“, sehr zum Mißvergnügen des Ehemannes, zum Beruf aus.
Sie war in den fünfziger und sechziger Jahren eine der wenigen Frauen, die Science Fiction schrieben und sich nicht hinter einem männlich klingenden Pseudonym versteckten. Und sie fand sehr schnell Zugang zu den Sympathien der SF-Leser, und zwar vor allem mit einem großen Thema, einer imaginären Welt der Zukunft, in der sie mit den Jahren eine Reihe von Romanen ansiedelte. Gemeint ist der Darkover-Zyklus. Hier wird der Planet Darkover geschildert, der einst von den Männern und Frauen eines Kolonistenschiffs besiedelt wurde, das auf diesem Planeten unter einer blutroten Sonne notlandet. Darkover bleibt lange Zeit auf sich allein gestellt, bevor der Planet eines Tages von den Terranern wiederentdeckt wird. Man stößt auf eine Kultur, die feudalistisch geprägt ist und auf Psi-Kräften beruht, die bei den sieben herrschenden Familien auftreten. Die einzelnen Romane sind häufig dem Gegensatz zwischen einer mittelalterlich anmutenden Kultur auf der einen Seite und der hochtechnisierten, irdischen Enklave auf der anderen Seite verpflichtet, bemühen daneben aber auch andere Gegensatzpaare: Ratio / Intuition, Alter / Jugend, Heterosexualität / Homosexualität, Technologie / Instinkt, Mann / Frau, Establishment / Counter-Establishment, Bürgertum / Feudalismus, Künstlichkeit / Natur usw. Der Darkover-Zyklus – nicht eigentlich eine Serie, weil die einzelnen Romane nicht zwingend aufeinander aufbauen – ist bei amerikanischen SF-Lesern so populär, daß sich sogar eine eigene Darkover-Fan-Fraktion unter den amerikanischen SF-Fans gebildet hat. Waren die ersten Romane von Marion Zimmer Bradley vor allem spannender Unterhaltung verpflichtet, nutzte die Autorin in der Folge jene Freiräume, die ihr insbesondere der amerikanische SF-Verleger Donald A. Wollheim bot: Sie durfte ohne Längenbegrenzung und ohne redaktionelle Eingriffe ihre Romane zur Veröffentlichung bringen, eine selbst heute noch nicht selbstverständliche Voraussetzung für SF-Autoren. Ihre Romane wurden fortan nicht nur voluminöser, sondern auch gehaltvoller. Unaufdringlich und ohne ihre Leser mit langatmigen Traktaten zu plagen und ihnen die erwartete abenteuerliche Unterhaltung zu versagen, gestaltete sie ihre Romane zu Entwicklungsromanen ihrer Protagonisten, versagte sich nicht den einen oder anderen philosophischen Gedanken, sparte Sexualität nicht aus und setzte sich vor allem immer wieder – versöhnlich, wie es ihre Art ist – für die Gleichberechtigung der Frau ein.
Neben den Darkover-Romanen {1} veröffentlichte Marion Zimmer Bradley immer wieder mal einen Roman, der nicht vom Licht der blutroten Sonne beschienen wurde. Hierzu gehören die Romane Die Jäger des roten Mondes (Hunters of the Red Moon, Moewig-SF3528) und die hier vorliegende Fortsetzung Die Flüchtlinge des roten Mondes (The Survivors), die in Zusammenarbeit mit ihrem Bruder Paul Edwin Zimmer entstand, der auch schon in der einen oder anderen Form an der Entstehung von Hunters of the Red Moon beteiligt war.
Diese beiden Romane dürften zum Spannendsten gehören, was Marion Zimmer Bradley bislang geschrieben hat.
Aber – und das macht die Qualität dieser Autorin aus – es bleibt nicht bei spannenden Action-Romanen mit unzähligen Kampfszenen, sondern diese Romane sind zugleich zutiefst menschlich, und die innere Dramatik steht nicht hinter der äußeren zurück. Erklärtermaßen ist dies sogar das Motto, unter dem diese beiden Romane stehen: Liebe und Tod, die Rückkehr zum Wesentlichen, zum Ursprünglichen.
Daß Marion Zimmer Bradley sich darauf versteht, den Leser zu unterhalten und ihm zugleich mehr als Unterhaltung zu bieten, hat ihre Darkover-Romane so berühmt gemacht. In Hunters of the Red Moon und
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