Die Flüchtlinge des roten Mondes
norwegischen Skipper, den er einst getroffen hatte: die gleiche geschäftige Art, die gleiche grobe Art zu sprechen und die gezügelte Ungeduld gegenüber den Fehlern anderer. Aber auch die gleiche präzise Kompetenz. Das gab ihm ein besseres Gefühl.
„Der arme Dravash“, meinte er zu Rianna. „Er ist nicht gerne mit Protosimianern gesattelt.“
Er hatte in der Kharam-Sprache geredet, die sie von Tonbändern gelernt hatten, und Rianna sah leicht verdutzt aus. Sie wiederholte es.
Dane hörte die Übersetzung von ihrer Translatorscheibe und verbesserte sich: „Belastet.“
„Nun, du mußt zugeben, wir sind für ihn ein Ärgernis gewesen. Nach dem, was ich über die Heimat der Sh’fejj gehört habe, muß dies für ihn heute ein angenehmer, kühler Tag sein. Und natürlich erwartet er von uns jede Sekunde, daß wir in unser Paarungsritual verfallen.“ Ihre Augen trafen sich und blitzten ein wenig spöttisch. „Wenn es nicht so heiß wäre, würde es mich schon locken, nur um ihn zu ärgern.“
„Vielleicht schwimmen wir statt dessen lieber“, meinte Dane, der auf das Wasser geblickt hatte. „Aratak scheint es da drinnen recht gutzugehen.“
Sie nickte und sah ihn leicht kichernd an, während Dravash ihnen beim Auskleiden zusah. Seine dicken Augenfalten zuckten.
Ich weiß, was Rianna meint. Es ist verlockend, ihm eine Show vorzuführen. Aber Rianna hat recht. Es ist zu heiß. Er ließ sich kopfüber in den kleinen See fallen, in dem Aratak lag. Nach einer Weile alberten die drei durch das Wasser, während ihnen Dravash leicht verärgert zusah. Aratak schleuderte fröhlich große Wasserwellen über seine Freunde hinweg und schoß mit erstaunlicher Geschwindigkeit um sie herum. Dane fand das etwas beunruhigend, wenn er es auch nicht sagte. Er war an Arataks Erscheinung an Land schon lange gewöhnt, doch seine eleganten Schwimmbewegungen rührten unbewußt etwas in ihm an, vielleicht instinktive Furcht. Er sah einfach einem Krokodil zu ähnlich. Dane mußte innehalten und sich ins Gedächtnis rufen, daß dies Aratak war, dem er vollständig vertraute und den – ja, den er auch liebte.
Dravash stampfte wirklich ungeduldig mit dem Fuß auf, als sie das Wasser verließen, und wenn es auch unter seiner Würde war, weder Dane noch Rianna Vorwürfe zu machen, so blickte er doch Aratak vorwurfsvoll, mit den Augäpfeln rollend an.
„Hast du dich lange genug mit deinen protosimianischen Kollegen amüsiert?“ fragte er, als beschuldigte er einen Kollegen, er habe seine Zeit beim Herumbalgen mit einem Rudel Hunden vergeudet.
Wie immer gab sich Aratak ungerührt.
„Das Göttliche Ei bemerkt zu Recht, daß Baden wie auch Essen und Schlafen zu den wenigen unschuldigen Vergnügungen der Menschheit gehören, niemandem Schaden zufügen und allen Lust bereiten.“
Dravash rollte die Augen und runzelte flehend die Stirnfalten. „Gott möge mir Geduld schenken!“
Doch er sagte lediglich: „Wenn ich mich recht erinnere, gibt es im nächsten Tal einen Lagerplatz, der bestimmt sicher ist. Wenn wir mit Protosimianern durch den Wald gehen, müssen wir auf Rashas in den Bäumen achten.“
Tarnkatzen . Der Übersetzer echote auf gespenstische Weise. Dane fragte sich, ob die Rashas wirklich so gefährlich waren, wie die Berichte behaupteten. Der Leopard der Erde – und soweit er wußte, waren die Rashas oder Tarnkatzen Leoparden ähnlich, wenn auch größer und tückischer – verzehrte normalerweise Affen und Halbaffen, darunter den nächsten Verwandten des Menschen, den Schimpansen. Wenn sie die Gelegenheit bekämen, würden sie ebenso rasch auch auf Menschenkinder losgehen. Aber meistens ließen sie erwachsene, gesunde Menschen in Ruhe, weil sie klug genug waren, um zu merken, wie gefährlich dieser Affe sein konnte. Hatten die Rashas von Belsar IV diese Lektion noch nicht mitbekommen?
Vielleicht hatten die Sh’fejj, die auf ihrer Welt kein vergleichbares Raubtier kannten, übertrieben.
„Ich gehe voran“, sagte Dravash. „Du bildest den Schluß, Aratak. Wenn wir die Protosimianer zwischen uns nehmen, sind sie nicht so gefährdet.“
Ich hatte gedacht, wir würden auf sie aufpassen bei diesem Trip, nicht andersherum! Dane war heimlich darüber wütend, bis ihn sein unerschütterlicher Humor zum Grinsen brachte. Was wäre, wenn man Rianna und ihn gebeten hätte, ein Paar, sagen wir, drei Meter großer Abkömmlinge von Hühnern durch einen Wald zu begleiten, der von wilden, riesigen Füchsen nur so wimmelte?
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