Die Flüchtlinge des roten Mondes
Die Tiere könnten mutig und sehr intelligent sein – aber er hätte doch Bedenken.
Im Wald waren sie nicht mehr der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt, daher war es irgendwie kühler, doch immer noch erstickte sie fast die stille, feuchte Luft. Sie gingen einer nach dem anderen und folgten einem, wie Dane es nannte, Wildwechsel. In Wirklichkeit hatte jemand vom Stützpunkt unauffällig die niedrigen Zweige gestutzt, so daß Dravash und die beiden Menschen aufrecht gehen konnten. Aratak mußte sich immer noch die meiste Zeit bücken, doch Dravash schritt unbehelligt voran. Der Weg war auf Sh’fejj-Größe ausgerichtet.
Über ihren Köpfen wurde das Laub dichter, und abseits von dem deutlich bezeichneten Weg waren die Baumstämme von Ranken und dichtem Gebüsch verborgen. Trockene Blätter raschelten unter ihren schlurfenden Füßen. Unsichtbare Wesen stießen geheimnisvolle Schreie aus. Doch nach einigem Nachdenken erschienen Dane diese geheimnisvollen Schreie größtenteils als Versionen des Satzes: Ich brauche etwas zu essen! Ein großer Vogel glitt mit schwerem Flügelschlag von einem Ast. Die bunten Federn verschwanden in der Dunkelheit. Mit gespenstischem Heulen verschwand er zwischen den Blättern, einem Ton, der Dane beim ersten Hören hatte zusammenzucken lassen.
Später brach eine Gruppe kleiner Affen keckernd durch die Zweige über ihnen. Sie kreischten die Reisenden trotzig an und schwärmten zurück in die tiefen Schatten des Waldes. Dane blickte überrascht hinter ihnen her. Sie hatten nicht nur wie Affen in Wildreservaten auf der Erde ausgesehen, sondern sich auch so verhalten. Er war kein Affenexperte und vermochte nicht zu sagen, ob sie mit einer terrestrischen Art identisch waren, doch sein vorherrschender Eindruck war, daß diese Affenherde aus Borneos Dschungeln hätte importiert sein können. Niemand hätte den Unterschied herausgefunden – außer vielleicht ein Fachmann.
Aber wenn sich grundsätzlich dem Menschen ähnliche Wesen auf anderen Planeten entwickelt hatten – warum sollte dies nicht auch für die niederen Verwandten gelten? Und er und Rianna waren sich, wenn sie sich auch Lichtjahre voneinander entfernt entwickelt hatten, ähnlich genug, um sich lieben und paaren zu können. Er sah Rianna an, die auf dem Weg direkt vor ihm ging, und dachte, daß sie in den neuen Farben für ihn fast eine Fremde war, eine staubige Prinzessin, exotisch und verführerisch. Seltsam. Er grinste insgeheim und dachte, ob es Dravash wohl irritieren würde, wenn er erfuhr, daß seine protosimianischen Kollegen sich auch wie richtige Protosimianer benahmen und Zeit an solche Gedanken verschwendeten. Im Moment an Gedanken über den Paarungstanz.
Nun, er und Rianna würden den Protosaurier von Zeit zu Zeit schockieren müssen. Vielleicht heute nacht, wenn sie ein Lager aufschlugen. Wenn man nun einmal Protosimianer war und wenn ein bestimmtes Verhalten von einem erwartet wurde, dann war Nomen auch Omen …
Ein heftiges Rascheln und ein unvermittelt losbrechendes wildes Heulen ließ ihn den Kopf hochreißen. Er sah ausgebreitete Tatzen und glühende Augen über sich.
Dane ließ sich auf ein Knie fallen. Das Schwert fuhr aus der Scheide und schwang über seinen Kopf hinaus. Er spürte, wie die Klinge Fleisch durchschnitt, weil sich die Muskeln seines Unterarms anspannten. Etwas Nasses, Klebriges rann ihm in die Augen, und ein schweres Gewicht drückte ihn zu Boden. Steine und Zweige gruben sich in seinen Rücken.
Er erstickte in Fell. Rianna schrie seinen Namen. Dann war das Gewicht plötzlich verschwunden, und er erblickte wieder das Licht des Tages und Riannas vor Schrecken bleiches Gesicht.
„Er ist voller Blut! Dane! Dane!“
„Ist aber nicht mein Blut.“ Dane setzte sich auf und wischte sich dicken Schleim aus den Augen. Aratak hielt das Katzenwesen am ausgestreckten Arm, wie ein Mensch ein Kätzchen am Nackenfell hält. Blut schob aus dem Leib hervor. Danes Schwert hatte es fast in zwei Hälften zerschnitten, und der Hinterleib hing schlaff herab. Die Vordertatzen kämpften immer noch verzweifelt. Dann, mit einem kleinen miauenden Ton, verebbte das Leben, und Aratak ließ das Tier mit einem überheblichen Achselzucken neben dem Weg fallen.
Danes Hände zitterten noch, als er die Klinge säuberte und wieder in die Scheide steckte. Es war knapp gewesen. Er hatte sich gerade rechtzeitig auf das Knie fallen lassen. Die Vordertatzen der Tarnkatze hatten ihn um Haaresbreite verfehlt und die
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