Die Flüchtlinge
menschlichen Verhaltensweisen unterschied. Auch die Kasiren sahen uns nun mit anderen Augen. Unsere Eltern konnten uns dabei nicht helfen. Keine der unserer Clique angehörenden weiblichen Eingeborenen hatte bisher ein Kind geboren, dabei waren sie alle längst über das Alter hinaus, in dem das möglich wurde und man es von ihnen erwartete. Ihre Eltern behaupteten, daß dies an dem schädlichen Einfluß läge, den wir auf sie ausübten, und jedesmal, wenn eine von uns ihre Jungfräulichkeit verlor, waren natürlich unsere kasirischen Spielgefährten daran schuld. Oh, wir trieben es ganz schön in diesem Sommer. Es wurden Vergleiche angestellt und Erfahrungen ausgetauscht. („Im Stehen geht es nicht“, sagte Dane gewichtig. Oh, doch, dachte ich, das geht schon, aber ich erzählte es ihm nicht.) Dennoch machte es jeder auf seine Weise. Die Kluft zwischen den Kasiren und uns verbreiterte sich; wir wußten es, und obwohl es uns nicht gefiel, wußten wir nicht, was wir dagegen tun sollten. Außer natürlich aufzugeben.
Aber dazu war keiner von uns bereit. Es war unser letztes Schuljahr. Im nächsten Sommer würde das Erwachsenenleben beginnen. Gaben wir uns zu früh auf, bedeutete das, auch auf unsere Freizeitgestaltung und Kameradschaft zu verzichten. Deswegen taten wir alles, um uns die Kindheit so lange wie möglich zu erhalten. Das bedurfte einiger Planung und brachte Arbeit mit sich, die durstig machte. Deswegen erleichterte Mertika den Lagerraum ihres Vaters eines Tages um ein Fäßchen Bier, das wir eines Nachmittags auf die andere Flußseite hinüberbrachten, uns vor den Augen des Menschen- und Eingeborenendorfes verbargen, im Gras Platz nahmen, das Fäßchen öffneten und eine Diskussion über Sport begannen.
Was dabei herauskam, war ein Spiel, das ebensogut eine Horde betrunkener Erwachsener an einem heißen Sommertag hätte erfinden können, aber ich nehme an, daß sich in dieser Beziehung alle Sportler gleichen. Wir nannten unser Spiel schließlich „Caraem“, was das kasirische Wort für Beutel ist, aber in diesem Sommer war es einfach „das Spiel“. Die Regeln entwickelten wir, während wir es spielten.
Der Schulhof war rechteckig, etwa sechs mal dreißig Meter lang, und in seiner Mitte und an seinen beiden Enden stand je ein Kaedo. Drei beschaffte ein paar Fischernetze der Eingeborenen, schnitt die Böden heraus, und wir hingen eines in jeden Baum. Da die Kasiren großen Spaß daran hatten, Bälle mit einem Stock zu schlagen, bestand das Spiel aus einem Ball und einem Schläger, und um die Kräfte gleichmäßiger zu verteilen, erfand Pixie Hirem lange, gekrümmte Schöpfkellen aus Holz. Man fing den Ball mit dem Kellenende aus der Luft; dort lief er durch die Krümmung und flog wieder heraus. Wenn man geschickt mit der Kelle zu hantieren verstand, beschrieb der Ball einen weiten Bogen und jagte weit über das Spielfeld. Uns Menschen machte das Rennen Spaß; vorausgesetzt natürlich, es waren nicht allzu viele Kasiren in der Nähe, die aus ihren Leibern eine lebende Mauer bauten. Außerdem gefiel uns der Gedanke, uns gegenseitig etwas abzujagen. In dieser Beziehung erinnerte uns das Spiel an das, was wir früher als „Sumpfratten“ gemacht hatten.
Es ist unmöglich, das Spiel einfach zu erklären, da es sich während der folgenden drei Wochen stetig weiterentwickelte. Aber es sah, als wir es aufführten, ungefähr folgendermaßen aus:
Es ist heiß und ein wenig feucht. Vom Meer her bläst eine schwache Brise über die Hügelkuppen. Wir haben heute sogar Publikum: Kasiren und Menschen haben sich am Rande des Schulhofes versammelt. Die Kinder sitzen entweder auf dem Dach des Schulgebäudes oder auf den Zäunen. Als Wim all die Leute sieht, wird er nervös, aber Dane, der zur anderen Mannschaft gehört und den ganzen Sommer über versucht hat, mir in die Hosen zu greifen, gibt sich ganz lässig und poliert auf Kosten des armen Wim sein Selbstbewußtsein auf. Ich ignoriere ihn. Wir gehen auf das Spielfeld und tragen dabei unsere reichverzierten Trikots. Grün und Purpur sind sie. Ich trage stets Purpur. Mim hat mein Trikot genäht. Die Bekleidung der Kasiren besteht aus langen Stoffbahnen, die sie auf ziemlich komplizierte Weise um ihre Schultern gewunden haben. Die Zuschauer jubeln begeistert, aber wir versuchen den Eindruck zu erwecken, als ließe uns dies kalt. Jedes unserer Teams besteht aus acht Mann: zwei menschlichen Fängern und Läufern, zwei kasirischen Blockierern und Werfern. Obwohl wir
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