Die Flüchtlinge
Zubringerboot. Tham und Bakar banden Gren im Laderaum fest, um ihn so weit wie möglich von Aerie wegzubringen. Merkit streichelte sanft Quillas Hand, dann begab sie sich an Bord. Und Hart ging kalt und schweigend die Rampe hinauf, um sich auf jene Universität zu begeben, die seinem Bruder und seiner Schwester versagt geblieben war. Ihm war eine Zukunft beschieden, nach der Quilla sich verzweifelt gesehnt hatte, die er persönlich jedoch überhaupt nicht anstrebte. Am Ende der Rampe hielt er an und warf einen Blick auf die Hügel von Aerie, die in dem blassen Licht kaum erkenntlichen Kaedobäume und das im Morgennebel daliegende Anwesen. Jason hielt seinen Arm fest. Dann beugte Hart sich vor und musterte Laur mit einem dermaßen haßerfüllten Blick, daß sie sich an Quillas Arm festhielt, etwas Unverständliches vor sich hinmurmelte und zusammenbrach. Das letzte, was sie sah, war Harts verächtliches Schulterzucken, als er seinem Vater in das wartende Schiff hinein folgte.
2. Meya
Von Anfang an haben wir irgendwelche Spiele gespielt. Zuerst nur einfache – Spiele eben, mit denen sich kleine Kinder beschäftigen: Himmel und Hölle, Federball und Verstecken. Wir spielten alle Spiele, die Kinder sich ausdenken können, um ihre Welt mit etwas auszufüllen. Später wurden diese Welten dann komplizierter und bestanden aus Herumlaufen, Klettern und Schreien. Wir wiederholten unsere Phantasien im Spiel, aber als wir größer wurden, reichte uns das nicht mehr. Wie lange kann es einen begeistern, der Commander eines Imperiums oder Zeonea die Superratte zu sein? Als wir fünfzehn oder sechzehn waren, hatten wir nicht mehr das Gefühl, exotische Gestalten verkörpern zu müssen. Damals ließen wir uns nämlich Erwachsenenmasken wachsen, die zwar komisch und unbequem waren, aber viel zu sperrig, um darüber eine andere zu tragen. Aber während diese Masken dazu neigten, uns voneinander abzuschneiden, hatten die Jahre des gemeinsamen Spiels ein starkes Band zwischen uns gewebt. Während wir versuchten, zusammen groß zu werden, entwickelte sich jeder in eine andere Richtung. Es war keine leichte Zeit.
Wer wir waren? Oh, eine Clique von zehn bis zwölf Leuten, je nachdem, wer sich gerade mit wem in den Haaren lag. Ich und Drei tor-Kanata, Pixie Hirem, die Enkelin des Anwalts, Kridee, Haley, Mertika, die Tochter des Brauers, Wim, Teloret, Dane und Josha, Cumbe, Kabit, die Palens Beutelschwester war, Puti vom Cault und ein paar andere. Wir hielten uns für die erste Generation der wirklichen Aeriten. Diejenigen von uns, die Menschen waren, waren alle auf Aerie zur Welt gekommen; was die Kasiren anging, so waren sie die ersten, die voll an unserem Leben teilnahmen. Wir besuchten zusammen die Schule, verbrachten unsere Freizeit miteinander und lösten schwierige Aufgaben gemeinsam. Die Tatsache, daß die Kasiren ihr eigenes Dorf hatten, erschien uns unwichtig. Auf alle Fälle waren wir in diesem Sommer nicht nur im Stadium des Heranwachsens, sondern auch unsäglich gelangweilt und faul. Uns war die Energie ausgegangen, wir wußten keine Spiele mehr. Statt dessen saßen wir in – wie es schien – neuen Körpern herum, fühlten uns unwohl und wußten nichts mit uns anzufangen. Da die Erwachsenen ziemlich erschreckt darüber waren, daß wir nicht den Eindruck machten, beschäftigt zu sein, dachten sie sich am laufenden Band irgendwelche Beschäftigungen für uns aus.
Tabor fing damit an. Er sah uns eines Tages am Fluß herumsitzen, unsere Füße anstarren und uns gegenseitig auf den Geist gehen und erzählte uns von einem Spiel, das man während seiner Kindheit auf Neuheim gespielt hatte. Es hatte etwas mit einem Ball und einem Schläger zu tun, und man brauchte dazu ein Spielfeld, zwei Tore und mußte eine Menge herumlaufen. Das hörte sich gut an. Wir verscheuchten die kleineren Kinder vom Schulhof und versuchten es, während Tabor am Spielfeldrand stand, seinen Spazierstock schwenkte und uns Anweisungen zurief. Die Zwillinge hingen an den Zipfeln seines Hemdes wie zwei kleine Roboter an einem Lader. Einer warf dem anderen den Ball zu, der wiederum versuchen mußte, ihn mit einem Schläger zu treffen. Wenn der Spieler mit dem Schläger Glück hatte, ließ er den Knüppel fallen. Dann setzte ein ungeheures Herumgerenne ein: Einige von uns versuchten das Tor der anderen Mannschaft zu besetzen, andere gaben sich Mühe, entweder den Ball oder den zu fangen, der vorher den Schläger gehabt hatte. Nach einer Stunde war uns
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