Die Flüchtlinge
herumhüpfen und ihn uns abzujagen versuchen. Hin und wieder geben wir den Ball an Mertika ab, die ihn einmal auftippen läßt und zurückschmettert. Schließlich wird das Spiel abgepfiffen. Die Grünen sind stocksauer, ihre Fans schreien Mord und Brand, und Dane läßt mich wissen, daß er mir nicht mal den Hof machen würde, wenn ich die einzige Frau auf Aerie wäre. Ich freue mich so, daß ich ihn küsse.
Geschieht ihnen recht. Beim letzten Spiel haben sie uns vierundzwanzig zu sechs eingesackt.
Die beiden Mannschaften verlassen das Spielfeld und spülen sich im nahegelegenen Fluß den Staub und den Schweiß vom Leib. Natürlich dauert es noch eine Weile, bis die Aufregung sich gelegt hat. Puti sticht das Bierfäßchen an. Dann gehen Kabit und Puti in die Büsche, Wim verfolgt mich mit glänzenden Augen, Dane schiebt seine Hände unter Pixies Hemd (was ihr gefällt), und wir sind wieder alle Freunde – und bald so betrunken, wie das Bier von Mertikas Vater uns nur machen kann. Aber ich gehe allein nach Hause.
Blödsinn? Ja, glaube ich auch. Aber wir schlugen die Zeit damit tot, hatten etwas zu tun. Und Haven hatte etwas Gesprächsstoff. Hoku hatte allerhand zu tun, denn sie mußte uns ununterbrochen bandagieren und mit Ratschlägen versorgen. Und Mim konnte die Löcher in meinen Hemden nähen. Die Kasiren tauchten bisher nur selten in Haven auf, aber im nächsten Sommer eröffnete Ped Kohl ein Bierlokal, das von nun an von Menschen und Kasiren überquoll, die sich an den Tischen versammelten und sich über die Qualitäten ihres Lieblingsteams die Köpfe heiß redeten. In dieser Beziehung änderte sich also auch etwas.
Mich hielt es davon ab, mich allzu einsam zu fühlen. Natürlich war Quilla zu Hause. Und Tabor. Die Zwillinge. Aber Jason war für sieben Monate fortgegangen, um Hetch beim Ausbau unserer Schiffahrtslinie zur Hand zu gehen. Mish verhandelte mit den Bürokraten auf Althing Green. Auch Jes war nicht da. Er kam und ging, wie die Flüge es ihm erlaubten. Wenn er kam, brachte er Geschenke für jeden mit und erzählte spannende Geschichten aus allen Häfen der Galaxis. Wenn er dann wieder ging, ließ er ein Vakuum zurück. Ich dachte, ich hätte mich daran gewöhnt, aber dann kam er im Spätherbst und hatte drei Wochen Zeit. Wir wanderten nach Cault Tereth, sprachen über die unterschiedlichsten Dinge, sahen viel, was wir noch nicht gesehen hatten, und taten, was uns gefiel. Alles war im Begriff, sich zu verändern.
Dann ging er wieder, und ich mußte mich erneut an seine Abwesenheit gewöhnen. Ich füllte mein Dasein mit Ballspielen und Läufen durch die Felder aus. Das half; es half mir ohne Zweifel.
Nur nicht in den Nächten.
Fünfter Teil
1233
Neuer Zeitrechnung
Aerie den Rücken kehren
„Ungeachtet der Sprache, Intelligenz, Intuition und Sympathie ist es unmöglich, jedem alles kommunikativ verständlich zu machen. Die essentielle Substanz jeden Gedankens und Gefühls bleibt unvermittelbar und eingeschlossen in die undurchdringlichen Wände des individuellen Seins. Unser Leben ist ein Abschnitt fortwährender Einzelhaft.“
Aldous Huxley
1
Inmitten der Erinnerung an das Fallen glaubte Jason die Stimme des Universums hören zu können, die zu ihm sagte: Denke an deinen Planeten, Kennerin. Denk an deine Pflanzungen, deine Raumfahrtgesellschaft, deine Kinder, dein Volk, an euer Wachsen. Und denke an euren Stolz. Er kann ebenso schnell enden wie dies hier. Im Bruchteil einer Sekunde. In diesem Moment.
Es schien eine schnelle Sache gewesen zu sein, die sein Leben verändert hatte. Das Ereignis stand in keinem Verhältnis zur Veränderung, als hätten in der vergangenen Millisekunde unzählige Maurer eine Mauer gebaut, die Stadt von Stadt und Welt von Welt teilte. Er erinnerte sich daran, auf dem Lukensims gestanden und Ladepapiere in der Hand gehalten zu haben. Hetch war im Laderaum gewesen und hatte mit lauter Stimme seine Angaben wiederholt. An diesen Augenblick konnte er sich mit äußerster Klarheit erinnern: Er sah vor sich den trüben Überhang des überdachten Hafens, die säurehaltige Luft, das Flimmern der Hitze, die Langeweile. Er erinnerte sich daran, an Aerie gedacht zu haben. Er hatte sich alle Planeten und Häfen, die sie auf ihrer Reise angesteuert hatten, aufgeschrieben. Dann war Hetch aus dem Laderaum gekommen und hatte etwas Müdes und Mürrisches gesagt. Jason sah sich, wie er sich umdrehte und eine Hand auf das Geländer der Rampe legte. Er
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