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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Spirale hing niedrig am Himmel. Es war bereits nach Tien’al, und im Morgengrauen mußte sie wieder auf den Beinen sein. Im Haus war es dunkel und still; die hölzernen Dielenbretter knarrten anheimelnd unter ihren Füßen. Quilla ging an Jasons Zimmer vorbei, betrat den Anbau und öffnete die Tür zum Kinderzimmer. Im Bett lagen drei Gestalten. Sie ging näher heran. Meya lag zwischen den Zwillingen. Die drei waren dermaßen ineinander verwickelt, daß sie nur aus Armen und Beinen zu bestehen schienen. Quilla runzelte die Stirn und richtete die Decken. Jared murmelte im Schlaf etwas vor sich hin und legte sein Gesicht gegen Meyas Schulter.
    Auch Tabor schlief. Er lag quer über dem Bett. Quilla zog sich aus, legte ihre Kleider in einem Stapel auf den Boden, glitt unter die Decke und schob ihn sanft beiseite. Tabor machte Platz und legte einen Arm um sie.
    „Du kommst so spät“, murmelte er.
    „Es ist alles in Ordnung. Wir können morgen darüber reden.“
    Tabor brummte zustimmend und schlief sofort wieder ein. Quilla legte einen Arm um seine Hüften und schmiegte den Kopf an seinen Hals. Nachdem sie eine Weile in die Dunkelheit gestarrt hatte, schlief sie ebenfalls ein.
     
    „Jason? Vater? Bist du wach?“
    Das durch das Fenster dringende Mondlicht umgab Jasons Kopf mit einem quadratischen Schein. Er hatte das Gesicht von der Helligkeit abgewandt und atmete tief und regelmäßig. Hart berührte seine Schulter, dann seine Wange. Jason gab keine Antwort.
    Auf dem Nachttisch stand eine kleine Lampe. Hart machte sie an. In der unregelmäßigen Helligkeit, die sie umgab, musterte er die Monitoren und deren Kontrollen. Dann drehte er an einem Knopf, dann noch einmal. Jason murmelte schläfrig etwas vor sich hin.
    „Jason, wach auf.“
    Jason öffnete die Augen. In dem matten Licht sahen sie ziemlich dunkel aus. Erst als er sein Gesicht der Lampe zuwandte, wurden sie hellblau und glänzten.
    „Schon Morgen?“ fragte er.
    „Nein. Nach Mitternacht. Ich wollte mit dir sprechen.“ Hart setzte sich auf den Bettrand und nahm Jasons schlaffe Hand. „Es spricht sich nicht so einfach, wenn jemand dabei ist.“
    „Es ist schwer“, sagte Jason. Er schien nun wacher zu werden, aber seine Züge waren immer noch ausdruckslos.
    „Ist es der Schmerz? Oder die Drogen?“
    „Beides.“ Jason stützte sich auf seinen gesunden Arm ab. Hart schüttelte sein Kissen auf, damit er bequemer liegen konnte. „Warum bist du zurückgekommen?“ fragte Jason.
    „Ich habe von deinem Unfall gehört. Ich wollte dich wiedersehen.“
    „Bevor es zu spät ist?“
    Hart zuckte die Achseln, dann lächelte er kurz. „Ich nehme an, ich bin nicht sehr willkommen hier.“
    Jason sah nach unten.
    „Du warst lange weg. Du hast dich niemals sehen lassen. Du hast nur um Geld gebeten. Als wolltest du nichts mit uns zu tun haben.“
    „Eine Zeitlang wollte ich das auch nicht. Es hat etwa drei Jahre gedauert. Ich war wütend und dachte, ihr würdet mich hassen. Ich glaube, daß einige Leute das noch immer tun.“
    „Es ist kein Haß“, erwiderte Jason. Er befeuchtete seine Lippen. Hart reichte ihm ein Glas Wasser. Vorsichtig nippte Jason daran. Schließlich stellte Hart das Glas neben dem Bett ab.
    „Schock“, sagte Jason. „So bösartig. Gedankenlos. Leute umzubringen. Und anderes. Keiner von uns, dachten wir. Ein Wechselbalg.“
    „Vielleicht war ich das.“ Hart legte die Hände in den Schoß und blickte aus dem Fenster. „Man hatte mir alles genommen, weißt du? Alles: meine Heimat und meine Familie. Meine Welt. All das hatten sich irgendwelche Fremden unter den Nagel gerissen, und ihr machtet den Eindruck, als würde euch das auch noch gefallen. Ihr habt mitgeholfen, mich zu berauben. Ich konnte keinen von euch verstehen. Dann wurde ich mit Gren bekannt. Zuerst wollte ich nichts mit ihm zu tun haben, später änderte sich das jedoch. Die Bekanntschaft mit ihm machte mich anders als ihr; ich wußte Dinge, von denen ihr keine Ahnung hattet. Ich lernte. Ich tat etwas. Damals hatte ich das Gefühl, etwas Besonderes zu sein; ich hatte wieder das Gefühl, irgendwo hinzugehören. Und ich glaube, ich dachte damals, daß ihr mir all das schuldig wäret, daß alles, was ich tat, richtig war, nach dem, was man mir angetan hatte.“ Er machte eine Pause. „Ich versuche nicht etwa, mich zu entschuldigen, Jason. Ich glaube nicht mehr an diese Dinge, aber damals sah die Sache ganz anders aus. Als ihr mich erwischtet und fortschicktet, glaubte ich,

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