Die Flüchtlinge

des Steins schien sich zu bewegen.
    „Nicht?“
    „Ich habe den größten Teil meiner Zeit damit zugebracht, nach den schönsten Dingen Ausschau zu halten. Und wenn ich sie finde, nehme ich sie mir.“
    „Haben Sie dabei auch Hart kennengelernt? Indem Sie nach schönen Dingen Ausschau hielten?“
    Drake machte eine Handbewegung. „Beinahe. Ich habe Ihren Bruder in einem Kassettenladen getroffen. Er hatte sich das letzte Exemplar einer Kassette gekauft, die ich auch haben wollte, aber er hat mich dermaßen erfolgreich davon abgebracht, daß ich nicht anders konnte, als ihm einen auszugeben. Ich pflege mich nicht um Dinge zu streiten, die ich haben möchte. Ich bin es auch nicht gewohnt, sie zu verlieren. Aber Ihr Bruder war in dieser Hinsicht eine erfrischende Neuigkeit.“
    „Sie müssen viele Freunde haben“, murmelte Quilla.
    „Freundschaften sind nicht das Wichtigste.“ Drake lächelte erneut. „Ihr Bruder jedoch ist mein Freund. Ich glaube, das genügt. Als er sagte, er wolle heimfahren und seine Familie besuchen, habe ich die Passage für uns beide bezahlt. Es macht mir Spaß, meinen Freunden einen Gefallen erweisen zu können.“
    Quilla lächelte freundlich. Als Hart vor drei Jahren aufgehört hatte, sie brieflich um Geld zu bitten, hatte man angenommen, daß man ihm entweder einen Forschungsauftrag oder eine Stelle angeboten hatte. Daß er ihnen nichts davon sagte, entsprach seinem Charakter. Hatte Drake auch hier seine Hand im Spiel gehabt?
    „Die beiden Passagen von Kroeber nach hier waren sicher nicht billig“, sagte Quilla.
    „Kaum der Rede wert. Ich war einfach neugierig auf Harts Familie. Er hat mir zwar gesagt, daß seine ältere Schwester intelligent ist – aber daß sie auch hübsch ist, hat er mir verschwiegen.“
    Quilla maß ihn mit einem langen, kalten Blick.
    „Ich stehe nicht auf Sarkasmus“, sagte sie.
    Drake sah sie verwirrt an und breitete die Arme aus. Mim betrat das Wohnzimmer. Sie sah die beiden an und zog die Brauen hoch.
    „Mach das Licht aus, wenn du fertig bist“, sagte sie.
    „Aber gewiß“, antwortete Drake.
    Mim bedachte ihn mit einem mißtrauischen Blick, ging hinaus und machte die Tür hinter sich zu.
    „Ihre Dienstboten nehmen sich ziemlich viel heraus“, sagte Drake.
    „Mim ist keine Dienstbotin“, erwiderte Quilla. „Harts Besuch war eine Überraschung für uns.“
    „Ich dachte, wir hätten nun genug über Ihren Bruder gesprochen“, meinte Drake. Er beugte sich zu ihr hinüber. Seine dünnen Finger spielten mit dem Brandyglas. „Ich würde viel lieber von Ihnen sprechen.“
    „Aber ich nicht“, sagte Quilla mit einem freundlichen Lächeln. „Studieren Sie auch?“
    Drake lehnte sich lachend zurück. „Um Himmels willen, nein! Ich habe natürlich da und dort einen Kurs belegt, aber nur aus Langeweile. Um die Zeit totzuschlagen, wissen Sie?“
    „Und aus dem gleichen Grund sind Sie auch nach Aerie gekommen?“
    „Warum sind Sie denn nur so kratzbürstig, meine Liebe? Ich kam nach Aerie, weil Hart hierherkommen wollte. Ich wollte lediglich meine Neugier befriedigen. Hart ist ein interessanter und komplexer Mensch. Ich dachte mir, es müßte faszinierend sein herauszufinden, wie die Leute sind, die ihn zu dem gemacht haben, was er ist. Das Ausfindigmachen von Ursprüngen ist mein Hobby.“
    „Dann hoffe ich, daß Sie auch welche finden werden“, sagte Quilla. Sie stellte ihr Glas ab und stand auf.
    „Ich glaube, Sie müssen sich anstrengen, um mich zu mögen“, sagte Drake und erhob sich ebenfalls. „Zwischen uns steht mehr als nur Ihr Bruder.“
    Quilla öffnete die Tür und blieb stehen. Drake stand schweigend da und musterte sie.
    „Tev Drake“, sagte Quilla plötzlich. „Von Albion-Drake. Ihnen gehört die Firma, die unseren Zimania -Saftkauft.“
    Drake entblößte lächelnd die Zähne. „Sie fangen an zu verstehen“, sagte er. „Gute Nacht, meine Liebe.“
    Quilla knirschte mit den Zähnen, dann ging sie in den Korridor hinaus. Als Drake sich erneut etwas einschenkte, hörte sie das Klappern von Glas. Sie ging die Treppe hinauf. Es hatte keinen Sinn, jetzt wütend zu werden. Genau das wollte er vielleicht. Diese Außenweltler tauchten einfach auf, und das nächste, was dann auf einen zukam, waren die Gerichtshöfe von Althing Green, wo Intrigen gesponnen und Ränke geschmiedet wurden und es von Spitzeln und Wortverdrehern nur so wimmelte. Quilla warf einen Blick aus dem Treppenfenster. Die beiden Monde waren aufgegangen, und die