Die Flüchtlinge
Dutzend Fabriken, die geradezu darum betteln, mit dem Zeug eingedeckt zu werden. Sie können es gar nicht schnell genug heranschaffen. Ihr hättet nichts anderes zu tun, als die Pflanzen anzubauen, ihnen den Saft zu entziehen, ihn zu härten und das Zeug abzuschicken.“
„Abzuschicken?“ fragte Jason.
„Natürlich auf meinem Schiff.“ Hetch griff nach seinem Weinglas. Mish füllte es nach. „Ich sehe das Geschäft so: Du verkaufst mir das Zeug, und ich verscherbele es an Albion-Drake weiter. Wir machen beide einen guten Gewinn. Und bis die erste Ladung abholbereit ist, räume ich dir Kredit ein.“
„Wie lange wird das dauern?“ fragte Mish.
„Ich schätze etwa zwei Jahre. Die Pflanzen fangen nach zwei Jahren an zu blühen und tragen die ersten Früchte. Dann werdet ihr der ersten Generation den Samen entnehmen können, um eine zweite aufzuziehen. Im vierten Jahr dürftet ihr genug ausgewachsene Pflanzen haben, um eine gute Ernte einzubringen. Dann fangen wir an, das Zeug zu verkaufen. Was haltet ihr davon?“
Jason lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Manny, hast du diese Saatkörner etwa gestohlen?“
Hetch sah ehrlich überrascht aus. „Gestohlen? Natürlich nicht. Wie kommst du bloß darauf?“
„Weil alles, was einen gewissen Wert hat, gemeinhin nicht in der Luft herumfliegt, damit jeder sich daran bereichern kann. Und Marquez’ Landing …“
„… kann mit dem momentanen Bedarf einfach nicht Schritt halten“, sagte Hetch. „Und das liegt daran, daß das Zeug eben nicht überall gedeiht. Wenn ich mir Aerie so ansehe, hat er doch eine sehr große Ähnlichkeit mit Marquez. Die Jahreszeiten sind beinahe identisch, beim Klima gibt es keinen Unterschied, und es gibt eine Menge Sonnenschein und Spurenelemente. So was kommt nicht oft vor. Es gibt nur wenige Wasserwelten, die diese Vorzüge bieten. Ich wette, daß Aerie und Marquez die einzigen Planeten sind, auf denen das Zeug gedeihen wird. Da heißt es die Augen offenhalten. Nun?“
„Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet“, sagte Jason. Hetch grinste. Er machte eine hilflose Geste. Mish nahm die Saatkörner an sich und breitete sie auf ihrer Hand aus. Ihr Blick kam Jason bekannt vor. Er fühlte plötzlich, wie sich sein Nacken versteifte.
„Wann bist du das nächste Mal wieder hier?“ fragte Mish, ohne den Kopf zu heben.
„In vier, fünf Schwüngen. Das dürften für Aerie … fünf Monate sein. Im nächsten Frühling?“
Mish nickte. „Wenn sie angehen, müßte man bis dahin von den Pflanzen schon etwas sehen können. Jason?“
Sie sah ihn an. Jason nickte langsam.
„Ja“, sagte er. „Im nächsten Frühjahr kannst du dir unsere Antwort abholen.“
„Na prima.“ Hetch stand auf und reckte sich. Sein Bauch stand von ihm ab. „Ich habe noch eine Saatladung im Schiff. Auch eine Behandlungsanleitung. Ich bring euch die Sachen dann morgen rein.“
Er wartete, bis Mish Quilla geweckt und ins Bett geschickt hatte, dann wünschte er ihnen eine gute Nacht und ging nach oben. Mish stand am Feuer und betrachtete das Saatgut. Jason umschloß ihre ausgestreckte Hand mit der seinen und streichelte mit den Fingern ihre gebräunte Haut. Die vier Körner erschienen ihm wie Nagelköpfe, die ihre Hände miteinander verbanden. Mish lächelte. Jason berührte ihr Haar mit der Wange und wandte sich dem Feuer zu.
„Jase?“ sagte Mish plötzlich. „Hier riecht irgendwas verbrannt.“
„Das ist die Feuerstelle“, erwiderte er, ohne sich umzudrehen.
„Nein, es riecht anders. Kannst du … Gütige Mutter!“
Jason wirbelte herum. Mish hatte die Vorhänge beiseite gezogen. Ein unheimliches, rotes Glühen erhellte den Raum. Sie öffnete das Fenster, und eine ätzende Rauchwolke strömte auf sie ein.
„Die Küche oder Haven“, sagte sie. „Hol die Kinder!“
Die Tür flog auf, als sie aus dem Haus rannte. Jason stand für einen Moment wie angewurzelt da, starrte auf die Saatkörner, die sie auf den Boden hatte fallen lassen, und machte dann eine Kehrtwendung, um die Treppe hinaufzueilen.
4
„Raus hier!“ schrie Jason. „Es brennt!“
Quilla sprang aus dem Bett und packte ihre Kleider. Jason warnte inzwischen ihre Brüder. Immer noch mit den Verschlüssen ihres Hemdes kämpfend, raste Quilla aus ihrem Zimmer. In der Dunkelheit stürmte jemand an ihr vorbei. Bevor sie die abgestandene Schiffsluft erkannte, die Manny Hetch verströmte, schrie sie auf. Sie folgte ihm die Treppe hinunter und
Weitere Kostenlose Bücher