Die Flüchtlinge
schüttelte sich, stellte den Krug wieder ab und beugte sich über einen Topf, der an einer Kette über den Flammen hing. Mit einem Löffel prüfte er dessen Inhalt. Dann griff er nach einem Stück kassirischen Brotes.
Der Kloß in Harts Kehle löste sich auf, und er musterte die Hütte, den festgetretenen Erdboden, die undichten Wände, das schräg zulaufende Dach und den steinernen Kamin, der den Raum mit dünnem Rauch ausfüllte. Ein paar unfertige Bretter, die auf Baumstümpfen lagen, dienten als Tisch. Zwei weitere Stümpfe standen an der Wand. Einen davon zog Gren nun an den Tisch und nahm darauf Platz. Er befand sich immer noch in der Nähe des dampfenden Kessels. An ein paar Nägeln, die in der Wand steckten, hingen Kleider. Des weiteren sah Hart in einer Ecke eine Kiste stehen, deren Deckel geschlossen war. Sie war zusätzlich noch mit einer Eisenspange versehen. Das einzige Licht kam von der Feuerstelle auf der anderen Seite des Raumes. Das Fenster der Hütte war mit Stoff verhängt, durch den ein kalter Wind pfiff. Harts Beine fühlten sich wie tot an. Er ging leicht in die Knie.
„Keine Bewegung“, sagte Gren und fing an zu essen. Er schaute auch diesmal nicht auf.
„Es wäre besser, Sie ließen mich laufen“, sagte Hart, aber ein leichter Anflug von Furcht in der Stimme strafte seine Entschlossenheit Lügen. „Sonst erzähle ich meinen Eltern, daß Sie mich entführt haben, und …“
„Und ich erzähle ihnen, daß du die Schule in Brand stecken wolltest und derjenige warst, der das Haus der Ärztin angezündet hat.“
„Das werden sie Ihnen nicht glauben.“
„Das werden sie. Keine Bewegung!“ Gren aß weiter.
Hart rührte sich nicht von der Stelle. Er dachte über Grens Worte nach. Wenn Mish und Jason schon so wütend auf seine Schulschwänzereien reagierten – was würden sie dann erst tun, wenn sie herausbekamen, was er an diesem Abend vorgehabt hatte? Was würden sie tun, wenn Gren ihnen sagte, wer für den Brand der Arztpraxis vor vier Wochen verantwortlich war? Je mehr er darüber nachdachte, desto unglücklicher wurde er. Seine Nase glühte, und in seinen Augen prickelte es.
„Ich möchte mich setzen“, sagte er schließlich. Gren deutete auf den anderen Baumstumpf. Hart nahm Platz. Seine Füße berührten kaum den Boden. Er strengte sich an, nicht in Tränen auszubrechen.
Gren beendete seine Mahlzeit, schob den Topf und den Teller beiseite und wandte sich dann dem Jungen zu. Mit übereinandergeschlagenen Beinen sah er ihn an. In dem flackernden Licht wirkten seine Augen blaß und undurchdringlich.
„Du reiches Gör“, sagte Gren mit Abscheu. Hart schaute überrascht auf. „Du verwöhntes reiches Gör. Du glaubst, daß das Universum dir gehört, stimmt’s? Ich kenne eure Art. Ihr glaubt, ihr könnt euch alles erlauben und die Leute verarschen, was? Ihr glaubt, alles ist nur ein Spiel, um euch zu amüsieren, und die anderen sind dabei eure Spielzeuge oder Haustiere, die euch völlig egal sein können und um die ihr euch einen Dreck schert?“ Gren spuckte in die Flammen. „Ihr glaubt wohl, ihr könntet euch alles nehmen, was euch gefällt; ihr brauchtet nur reinzukommen und nehmen, was ihr kriegen könnt, ohne Rücksicht auf Verluste, um es dann wegzuwerfen, wenn es euch nicht mehr gefällt. Und ob ein Mensch dabei draufgeht ist euch egal, verdammt noch mal!“
„Ich habe niemandem etwas weggenommen!“ rief Hart und vergaß seine Tränen. „Ihr seid hierhergekommen und habt meinen Planeten gestohlen! Ihr habt mein Haus, meinen Stall und mein …“
Gren langte über den Tisch und versetzte dem Jungen einen Schlag, der ihn zu Boden warf. Aber Hart hatte an diesem Tag bereits soviel eingesteckt, daß diese Ohrfeige ihn nicht mehr schockierte. Er blieb liegen, wo er hingefallen war, fühlte den Schmerz in seinen Schläfen und weigerte sich aufzustehen. Gren stieß einen Fluch aus, zog ihn hoch und drückte ihn in die Hängematte.
„Dir fehlt überhaupt nichts“, sagte er. Hart sah an ihm vorbei.
„Das tut es doch“, murmelte er.
„Und außerdem habe ich dich nicht bestohlen“, fuhr Gren fort. „Ihr habt mich nicht nur meiner Welt, sondern auch meiner Familie beraubt – und meiner Arbeit.“
„Ich nicht. Ich bin nicht mal dort gewesen.“
„Es waren Leute deiner Art. Ein Menschenschlag, dem du bald auch angehören wirst.“
Hart setzte sich abrupt hin und starrte Gren an. Seine Angst war verflogen. „Wenn Ihnen die Leute meiner Art nicht passen, können
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