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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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genügend Kleinwaffen, um ein ganzes Regiment auszurüsten. Die Waffen, darin waren sich alle einig, wurden in die neuerbaute Stadthalle Havens gebracht und dort unter Verschluß gehalten. Die Kleider und die Lebensmittel wurden an die Bevölkerung verteilt, und was die Edelsteine anging, so wanderten sie nach einigem Hin und Her in die Taschen Hetchs – als erste Rate für das, was wir ihm schuldeten. An sich hätte er uns an seiner Beute gar nicht zu beteiligen brauchen: Mish, Ved, Hoku und ich sagten ihm das zwar, aber er zuckte nur die Achseln und spielte den Bescheidenen. Natürlich tat er so, als seien die Juwelen ohnehin nicht viel wert.
    Solange der Greifer nicht wieder in Ordnung gebracht worden war, mußten Hetch und seine Leute auf Aerie bleiben, aber darin sahen wir nur ein geringes Problem. Die Aeriten luden ihn nahezu ununterbrochen zu sich ein und machten ihn sturzbetrunken, und wenn er dann – meist nach fünf Tagen wieder zu unserem Anwesen zurückwankte, hatte er meistens einen gewaltigen Kater und fünf Pfund zugenommen. Seine Mannschaft bekamen wir ebenso selten zu Gesicht: Sie wurde in Haven von einer Familie zur anderen weitergereicht und hielt sich praktisch nur an Eßtischen und in Betten auf. Im Winter wurden wir den Eindruck nicht los, daß Haven hauptsächlich von Frauen bewohnt wurde, die ein kleines Bäuchlein vor sich hertrugen. Hoku brummelte an einem Stück vor sich hin, raufte sich die Haare und gab sich alle Mühe, sogar eine Mittvierzigerin auf die Geburt eines Kindes vorzubereiten. Aber als der Frühling kam, wiesen lediglich drei Kinder Thams Hellhaarigkeit und zwei Bakars Gesichtszüge auf. Hoku hielt Vorlesungen über die biologische Reaktion auf Krisenzeiten und gab Kurse in Babypflege. Zwei Wochen nach ihrer Ankunft war Merkit auf die Kasiren gestoßen. Sie verbrachte einen Großteil ihrer Zeit in den Eingeborenenhütten. Hin und wieder sah ich ihre breitschultrige Gestalt, wenn sie Haven mit einem Kasten Bier auf der Schulter verließ. Wenn sie mich sah, schenkte sie mir ein schwarzzahniges Lächeln und winkte.
    Wenn ich an Mish vorbeikam, streckte sie die Hand nach mir aus. Wenn ich im Stall war, verbrachte sie ganze Nachmittage mit mir. Statt sich zu entfernen, kam sie immer näher; wenn wir über die Farm, die Pflanzung oder die Ortschaft sprachen, behielt sie ihren Standpunkt zwar bei, aber die Bitterkeit war aus ihrer Argumentation geschwunden. Ich träumte von einem weiteren Kind, aber dann fiel mir Meya ein, und ich wagte nicht, sie darauf anzusprechen. Sie hatte immer noch ihre Ecken und Kanten; sie lächelte selten, aber die Wärme war wieder in Mish zurückgekehrt. Ich wollte, daß sie weiter wuchs. Zwar erinnere ich mich daran, nicht immer glücklich gewesen zu sein, aber ich weiß, daß ich Zufriedenheit verspürte. Das schien mir genug.
    In diesem Winter lernte Meya lesen, und Jes vergaß seinen Heldenstatus und kehrte in die Schule zurück. Hoku verordnete Hetch eine Diät, die er zu meiner Überraschung auch einhielt. Er behauptete, vor Hoku mehr Angst zu haben als vor drei Schlachtschiffen Neuheims, und ich glaubte ihm. Hart verbrachte den größten Teil seiner Zeit in Haven und ging irgendwelchen Beschäftigungen nach, und Quilla arbeitete, schwieg, zog sich immer weiter in die Stille zurück und bestand darauf, daß man sie in Frieden ließ. Sie war nun siebzehn und alt genug, ihren eigenen Kopf zu haben. Ich ließ sie gewähren. Tham heiratete eine seiner schwangeren Geliebten, und zwei Wochen nach Beendigung des alten Jahres marschierte er von Haus zu Haus und stellte seine neue Tochter vor.
    Hoku jagte ihn nach Hause, bevor er zum Weitergehen zu betrunken war. Mish informierte mich über Tabor. Es veränderte nichts. Der Winter war mild, eine Jahreszeit, um die jeder Farmer betet. Er brachte ein Minimum an Frost, nicht mehr Regen als nötig – und sogar ein paar sonnige Tage, als über uns die grauen Wolkenbänke aufbrachen. Die ersten Setzlinge hatten uns mit genügend Saatgut versorgt, um vier- bis fünftausend Zamhia- Büsche anzupflanzen, und als das Sonnenlicht kam, standen sie in sauberen, hübschen Reihen da. Wenn ich von unserem Anwesen aus auf die Pflanzung blickte, konnte ich erkennen, daß ihre erste Generation bereits ausgewachsen war. Jene, die erst zwei Jahre alt waren, holten rasch auf. Am Rande des Feldes standen die kleinen, grünen Einjährigen, und dahinter erstreckte sich ein Feld, das bald gereinigt, umgepflügt und bepflanzt

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