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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Pflicht als Lehrer sei, uns wegen unserer Unaufmerksamkeit zu rügen – aber andererseits war er nun ein Bürger von Aerie, und der Planet gehörte uns. Er befand sich also in einer äußerst unbequemen Lage. Wir unterhielten uns noch eine Weile über dies und das, und als ich ihn zur Tür brachte, sagte er plötzlich: „Oh, jetzt fällt es mir wieder ein. Gren hat in der genetischen Chemie gearbeitet.“ Simit seufzte. „Ich nehme aber an, daß man mit seinen Kenntnissen hier nichts anfangen kann. Jedenfalls jetzt noch nicht.“
    Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, starrte Mish in die Flammen und hatte die Hände im Schoß gefaltet. Ich stellte mich hinter sie und legte meine Hand auf ihre Schulter. Sie neigte den Kopf und lehnte sich gegen meinen Arm.
    „Du hast nichts davon gewußt?“ sagte sie.
    „Nicht das geringste. Und du?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Sollten wir irgend etwas unternehmen?“
    Ich ließ sie los und nahm vor ihr auf einem Fußbänkchen Platz. „Ich weiß nicht. Vielleicht ist es ganz harmlos. Am meisten schäme ich mich, daß ich nichts davon gewußt habe. Ich habe ihm einfach keine Aufmerksamkeit gezollt.“
    „Wir haben es beide nicht getan. Wir sind einfach zu viel mit anderen Dingen beschäftigt, Jase. Eines Tages kommt es noch so weit, daß wir nur noch den Kopf heben, wenn irgendwas schiefläuft. Das gefällt mir nicht.“
    „Es gefällt mir ebensowenig. Ich glaube, ich habe immer einfach angenommen, daß die Kinder uns wissen lassen, wenn sie etwas Neues ausprobieren.“
    „Bei Jes trifft das auch zu. Auch bei Quilla. Aber Hart ist einfach zu still; er hat überhaupt nie viel geredet.“
    „Er denkt aber viel nach. Und beobachtet.“
    Mish nickte mit gerunzelter Stirn.
    „Mim mag ihn nicht“, sagte ich.
    Sie sah mich an. „Das ist dir aufgefallen?“
    „Ich bin schließlich noch nicht völlig abgestumpft“, sagte ich abwehrend. Mish lächelte. „Es ist jedenfalls nicht zu übersehen.“
    „Ja, aber Hart mag Mim ebensowenig.“
    Mish legte ihren Ellbogen auf die Sessellehne und stützte ihr Kinn darauf ab. Sie sah müde aus.
    „Ich glaube, wir sollten mal mit Hart reden“, sagte ich.
    Sie nickte. „Zumindest bekämen wir dann heraus, was hier vor sich geht. Und ob alles in Ordnung mit ihm ist.“
    „Das glaube ich schon.“ Ich ging in sein Zimmer hinauf. Hart lag auf seinem Bett und las. Als ich ihn rief, kam er sofort.
    Er war in diesem Jahr zehn geworden. Obwohl er nie so groß werden würde wie Jes oder ich, war er ein schlanker, wohlproportionierter Junge und vielleicht sogar der bestaussehendste von uns allen – wenn man den leicht mürrischen Zug um seinen Mund und den matten Anflug von Ungläubigkeit in seinen Augen vergaß. Als Jes in Harts Alter gewesen war, hatte er einem ununterbrochen Löcher in den Bauch gefragt. Er war für alles zu haben gewesen, das seinen Wissensdurst befriedigte – ein heller Kopf. Im Gegensatz zu ihm war Hart trotz seines großen Interesses an der ihn umgebenden Welt, seiner hellblauen Augen und seiner Hautfarbe ein finsteres Kind. Jetzt, wo ich ihn ansah, kam es mir ungewöhnlich vor, daß ich einen solchen Sohn haben sollte. Aber was bedeutete das schon? Den gleichen Eindruck hatte ich auch, wenn ich meine anderen Kinder näher betrachtete.
    „Hallo“, sagte Mish, als wir ins Wohnzimmer kamen. Hart trug sein Buch unter dem Arm. Er hatte einen Finger zwischen die Seiten gesteckt, um die Stelle wiederzufinden, die er gerade gelesen hatte. „Was liest du denn da?“
    Er zeigte uns die Titelseite. Es handelte sich um das Grundwissen der Biophysik. Ich war überrascht, denn ich hatte keine Ahnung gehabt, wie weit er inzwischen war.
    „Eine Empfehlung von Gren?“
    Hart sah mich kurz an und nickte leicht. „Das meiste davon weiß ich schon“, sagte er. „Ich will mir das Zeug nur noch mal genau einprägen.“
    „Oh.“ Über seinen Kopf hinweg sah ich Mish an, denn ich wußte nicht, was ich als nächstes sagen sollte.
    „Er ist wohl nicht gerade ein freundlicher Bursche, nicht wahr?“ fragte sie.
    Hart runzelte die Stirn. „Am Anfang war es nicht leicht. Aber das hat sich inzwischen gegeben.“ Er lächelte; sein Gesichtsausdruck irritierte mich. „Inzwischen ist er ganz nett. Und man kann eine Menge von ihm lernen.“
    „Ich wünschte, du hättest uns erzählt, daß du dich mit ihm triffst“, sagte ich. „Wir würden an sich gerne wissen, was du so tust.“
    „Ich habe es nicht für so wichtig gehalten“, sagte

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