Die Fluesse von London - Roman
entgehen, und die besteht darin, deinen möglicherweise vorhandenen hündischen siebten Sinn zu benutzen und den Mann … das Wesen aufzuspüren, das dein Herrchen ermordet hat. Hast du das kapiert?«
Toby hechelte und bellte dann einmal.
»Das muss reichen«, sagte ich und setzte ihn wieder ab. Er trabte sofort zu der Säule und hob ein Hinterbein.
»Ich würde ihn nicht zu Fäustlingen verarbeiten«, bemerkte Nightingale.
»Nein?«
»Er ist ein Kurzhaarterrier«, erklärte er. »Als Fäustlinge sehen die schrecklich aus. Würde aber vielleicht eine akzeptable Fellmütze abgeben.«
Toby schnüffelte auf dem Pflaster herum, nahe bei der Stelle, an der die Leiche seines Besitzers gelegen hatte. Er blickte auf, bellte einmal und schoss in Richtung King Street davon.
»Verdammt«, sagte ich.
»Folgen Sie ihm!«, befahl Nightingale, aber da hatte ich mich schon in Bewegung gesetzt. Detective Chief Inspectors laufen nicht einfach los – dafür haben sie schließlich ihren Constable. Ich sprintete hinter Toby her, der wie alle rattenähnlichen Hunde recht flink sein konnte, wenn er wollte. Er raste am Tesco-Supermarkt vorbei unddie New Row hinunter, seine kleinen Beine wirbelten unter ihm wie in einem billigen Zeichentrickfilm. Nach zwei Jahren Jagd auf Betrunkene am Leicester Square hatte ich eine ziemlich gute Kondition, deshalb holte ich tatsächlich ein wenig auf. Toby flitzte über die St. Martin’s Lane und bog auf der anderen Seite in den St. Martin’s Court ein. Ich verlor an Boden, als ich um eine Schlange holländischer Touristen herumkurven musste, die eben aus dem Noël Coward Theatre kamen.
»Polizei!«, brüllte ich. »Aus dem Weg!«
( »Haltet den Hund!« schrie ich nicht, ich habe schließlich auch meinen Stolz.)
Toby sauste an der Sheekey Oyster Bar und an dem Delikatessenimbiss an der Ecke vorbei und schoss über die Charing Cross Road, eine der belebtesten Straßen Londons. Ich musste erst nach beiden Seiten schauen, bevor ich die Straße überquerte, aber ich hatte Glück: Toby hatte bei einer Bushaltestelle angehalten und hob an einem Ticketautomaten das Bein.
Der Bastard schenkte mir jenen selbstzufriedenen Blick, den wohl alle kleinen Hunde auf der ganzen Welt draufhaben, wenn sie sich wieder mal nicht so benehmen, wie man es von ihnen erwartet, oder wenn sie gerade deinen gepflegten Vorgartenrasen umgebuddelt haben. Ich überprüfte, welche Busse hier anhielten – tatsächlich gehörte auch die Linie 24 dazu, die nach Camden Town, Chalk Farm und Hampstead fuhr.
Nach einer Weile kam auch Nightingale, und wir zählten die Überwachungskameras. Es gab mindestens fünf, die einen guten Blick auf die Bushaltestelle hatten, ganz zu schweigen von den Kameras, die die Londoner Verkehrsbetrieberoutinemäßig in ihren Bussen installiert hatten. Ich sprach eine Nachricht auf Lesleys Mailbox und bat sie, die Kameraaufzeichnungen der Linie 24 zu überprüfen. Ich denke mal, dass ihr meine Bitte richtig viel Freude machte.
Sie rächte sich mit einem Anruf um acht Uhr am nächsten Morgen.
Ich hasse den Winter. Und ich hasse es, im Dunkeln aufzuwachen.
»Schläfst du eigentlich nie?«, murmelte ich.
»Der frühe Vogel fängt den Wurm«, antwortete sie. »Das Foto, das du mir geschickt hast, das von Brandon Coopertown? Er ist anscheinend kaum zehn Minuten nach dem Mord am Leicester Square in einen Bus der Linie 24 gestiegen.«
»Hast du Seawoll informiert?«
»Natürlich! Ich liebe dich innig, das weißt du, aber ich setze doch nicht wegen dir meine Karriere aufs Spiel.«
»Was genau hast du ihm gesagt?«
»Dass ich einen Hinweis auf Zeuge A hätte, einen von mehreren Hundert, die in den letzten zwei Tagen eingegangen sind, möchte ich hinzufügen.«
»Was hat er gesagt?«
»Dass ich der Sache nachgehen soll«, sagte Lesley.
»Mrs. Coopertown sagte, dass ihr Mann heute zurückkommt.«
»Umso besser.«
»Kannst du mich abholen?«, fragte ich.
»Klar. Was ist mit Voldemort?«
»Er hat meine Handynummer.«
Ich hatte noch Zeit für eine Dusche und einen Kaffee und wartete vor dem Haus auf Lesley. Sie fuhr in einem zehn Jahre alten Honda Accord vor, der so aussah, als sei er für zu viele Drogenrazzien eingesetzt worden. Sie warf mir einen missvergnügten Blick zu, als Toby auf den Rücksitz sprang.
»Der Wagen ist nur ausgeliehen!«, sagte sie.
»Konnte ihn nicht allein in meinem Zimmer lassen.« Toby schnüffelte bereits in den Spalten zwischen den Sitzen herum, der
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