Die Fluesse von London - Roman
wieder los.
»Ob die Kollegen aus Hampstead beschlossen haben, zu Fuß anzurücken?«, fragte ich.
Tatsächlich kam die Ambulanz zuerst an. Die Sanitäter rannten in den Garten und versuchten volle zwanzig Minuten lang vergeblich, das Baby wiederzubeleben. Bei Kindern machen sie das immer, und es ist ihnen völlig egal, wie viel Schaden sie am Tatort anrichten. Man kann sie sowieso nicht davon abhalten, also lässt man sie am besten einfach machen.
Die Sanitäter hatten gerade erst angefangen, als ein Ford Transit ankam, voll mit Uniformierten. Alle sprangen heraus und liefen wild durcheinander. Der Sergeant näherte sich uns vorsichtig – er hielt uns irrtümlich für Zivilisten, blutbefleckt und daher potentiell gefährlich.
»Bei Ihnen alles in Ordnung?«, fragte er.
Ich brachte keine Antwort zustande – die Frage kam mir sowieso reichlich blöd vor.
Der Sergeant blickte zu den Sanitätern hinüber, die andem kleinen Körper arbeiteten. »Können Sie mir schildern, was sich zugetragen hat?«, fragte er.
»Es hat einen ernsthaften Zwischenfall gegeben«, sagte Nightingale, der gerade aus dem Haus kam. »Sie« – er deutete auf einen unglücklichen Constable – »schnappen sich einen Kollegen und bewachen die Rückseite des Hauses. Sorgen Sie dafür, dass dort niemand hinein- oder hinausgelangen kann.«
Der Constable winkte einem Kollegen und die beiden verschwanden ums Haus. Der Sergeant schien nach einem Ausweis fragen zu wollen, aber Nightingale gab ihm keine Gelegenheit dazu.
»Ich will, dass diese Straße vollständig dichtgemacht wird, zehn Meter in beiden Richtungen, Sperrzone«, befahl er. »Die Presse wird jeden Augenblick hier einfallen, also sorgen Sie dafür, dass Sie genug Leute zusammenziehen, um den Medienpulk zurückzuhalten.«
Der Sergeant salutierte zwar nicht, wir sind schließlich die Met und salutieren grundsätzlich nicht, aber so zackig, wie er sich umdrehte und davonmarschierte, erinnerte es doch ein wenig an Kasernenhof. Nightingale schaute zu uns herüber; Lesley und ich standen zitternd und bleich da. Er nickte uns ermutigend zu, wandte sich dann an einen der übrigen Constables und bellte weitere Befehle.
Kurz danach wurden Decken herbeigeschafft, im Transit fand sich Platz für uns, Becher mit heißem Tee und drei Stück Würfelzucker wurden uns in die Hände gedrückt. Wir nippten am Tee und warteten schweigend auf den zweiten Tiefschlag des Tages.
Detective Chief Inspector Seawoll brauchte nicht mal vierzig Minuten nach Downshire Hill. Selbst wenn manden nicht allzu dichten Samstagverkehr berücksichtigte, konnte das nur heißen, dass er die gesamte Strecke von Belgravia hierher mit voller Lichtorgel und Dauersirene gerast war. Er tauchte an der Schiebetür des Transit auf und betrachtete mich und Lesley mit unheilvoll gerunzelter Stirn.
»Alles okay bei euch?«, erkundigte er sich.
Wir nickten beide.
»Gut. Ihr rührt euch nicht vom Fleck, dass das klar ist!«
Worauf er sich verlassen konnte. Wenn eine größere Ermittlung erst mal in Gang gekommen ist, ist sie in etwa so interessant wie die Wiederholung einer Folge von ›Big Brother‹, wenn auch mit weniger Sex und Gewalt. Kriminelle werden nicht durch brillante logische Deduktion überführt, sondern durch die Tatsache, dass irgendein armes Schwein eine Woche lang sämtliche Läden ausfindig macht, in denen eine bestimmte Art Turnschuhe verkauft wird, und dann die Aufzeichnungen jeder einzelnen Überwachungskamera vor diesen Läden überprüft. Und ein guter Ermittlungsleiter sorgt dafür, dass sein Team jeden Punkt und jedes Komma doppelt und dreifach überprüft, damit nicht irgendein juristischer Eierkopf mit Perücke eine Lücke in der Beweiskette findet und sie mit Hilfe der Kreditkarte seines Klienten so weit verbreitert, dass dieser hindurchschlüpfen und mit einem Freispruch abziehen kann.
Seawoll war einer der Besten, deshalb wurden wir getrennt zu einem Zelt gebracht, das die Forensiker in der Nähe des Gartentors errichtet hatten. Dort mussten wir uns bis auf die Unterwäsche ausziehen und unsere Straßenkleider gegen schicke einteilige Schutzanzüge eintauschen.Als ich sah, wie sie meinen Lieblingsblazer in einen Beweisbeutel stopften, wurde mir klar, dass ich mir noch nie die Mühe gemacht hatte, herauszufinden, ob man seine Klamotten später wieder zurückbekam. Und wenn sie einem das Zeug wieder zurückgaben, wurde es dann vorher chemisch gereinigt oder nicht? Sie nahmen Proben von
Weitere Kostenlose Bücher