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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Genie.«
    Nightingale führte mich durch eine Tür in einen rechteckigen Innenhof, offenbar die Mitte des Gebäudes. Oben erstreckten sich zwei Reihen von Balkonen, darüber wölbte sich eine viktorianische Kuppel aus Glas und Gusseisen. Tobys Krallen klickten auf den polierten cremefarbenen Marmorfliesen. Davon abgesehen war es absolut still, und obwohl das Haus vollkommen sauber war, wirkte es irgendwie verlassen.
    »Dort geht es zum großen Speisesaal, den wir nicht mehr benutzen, dort zum Salon und zum Rauchzimmer, ebenfalls nicht mehr in Benutzung«, erklärte Nightingale und deutete auf die Türen am anderen Ende des Innenhofs. »Und hier geht es zur Bibliothek und zum Vorlesungssaal. Im Untergeschoss befinden sich die Küchen, die Spülküche und der Weinkeller. Die Hintertreppe ist dort drüben. Zur Remise und zu den Stallungen gelangt man durch die Hintertür.«
    »Wie viele Personen leben hier?«, fragte ich.
    »Nur wir beide   … und Molly«, antwortete Nightingale.
    Toby kauerte sich plötzlich neben meinen Füßen nieder und knurrte. Ein richtiges Da-läuft-eine-Katze-durch-die-Küche-Knurren war das. Ich blickte auf und sah eine Frau, die geräuschlos über die polierten Marmorfliesen auf uns zuglitt. Sie war schlank und wie ein Hausmädchen aus edwardianischer Zeit gekleidet, mit allem, was dazugehört: eine winzige gestärkte Schürze über dem langen schwarzen Rock und eine weiße Baumwollbluse.Aber ihr Gesicht passte nicht ganz zu dieser harmlosen Kleidung, es war ein wenig zu lang und zu scharfknochig, mit schwarzen mandelförmigen Augen. Trotz des weißen Häubchens trug sie das Haar lose, ein schwarzer Schleier, der ihr bis zur Hüfte reichte. Sie jagte mir sofort einen Schauder über den Rücken, und das nicht nur, weil ich zu viele japanische Horrorfilme angeschaut hatte.
    »Das ist Molly«, sagte Nightingale. »Sie ist unser Mädchen.«
    »Mädchen?«
    »Für alles«, erklärte Nightingale.
    Molly schlug die Augen nieder und vollführte eine eigenartige Bewegung, die sowohl ein Knicks als auch eine leichte Verbeugung hätte sein können. Als Toby wieder knurrte, fletschte sie beunruhigend scharfe Zähne.
    »Molly!«, sagte Nightingale scharf.
    Molly bedeckte sofort den Mund mit der Hand, wandte sich um und glitt denselben Weg zurück. Toby stieß ein selbstzufriedenes Grunzen aus, mit dem er aber niemandem außer sich selbst etwas vormachen konnte.
    »Und sie ist   …?«, fragte ich.
    »Unersetzlich«, sagte Nightingale.
    Bevor wir hinaufgingen, führte mich Nightingale zu einer Nische in der Nordwand. Dort hatte man eine kleine versiegelte Haubenvitrine aus Glas, wie sie in Museen verwendet werden, wie einen Hausgott auf ein Podest gestellt. Die Vitrine enthielt ein in Leder gebundenes Buch. Die Titelseite war aufgeschlagen; ich beugte mich darüber und las:
Philosophiae Naturalis Principia Artes Magicis   – Autore: J.   S.   Newton
.
    »Unser alter Freund Isaac war also nicht zufrieden damit,dass er die wissenschaftliche Revolution anzettelte, sondern musste auch noch die Magie erfinden?«, fragte ich.
    »Er hat sie nicht erfunden, sondern hat ihre Grundprinzipien kodifiziert, so dass man bei der Anwendung weniger auf Versuch und Irrtum angewiesen war.«
    »Magie und Wissenschaft, aha«, sagte ich. »Und hat er danach noch eine Zugabe gegeben?«
    »Er reformierte die Königliche Münze und rettete das Land vor dem Bankrott, weiter nichts«, sagte Nightingale.
    Offenbar gab es zwei verschiedene Treppenhäuser; wir nahmen das östliche und gelangten auf die erste Reihe der auf Säulen ruhenden Balkone. Hier war nichts zu sehen als Holzpaneele und weiße Staubschutztücher. Zwei weitere Treppen führten uns zum Flur im zweiten Stock, von dem viele schwere Holztüren abgingen. Nightingale öffnete scheinbar aufs Geratewohl eine der Türen und führte mich in den Raum.
    »Ihr Zimmer«, sagte er.
    Es war ungefähr doppelt so groß wie mein Zimmer im Wohnheim, wohlproportioniert und mit hoher Decke. In einer Ecke stand ein Doppelbett mit Messinggestell, in einer anderen Ecke ein riesiger Schrank wie der aus den
Chroniken von Narnia
. Dazwischen war ein Schreibtisch so platziert, dass das Licht von zwei Fenstern darauf fiel. Bücherregale bedeckten zwei weitere Wände vollkommen, doch sie waren leer, mit Ausnahme einer, wie ich später entdeckte, vollständigen 11.   Ausgabe der
Encyclopaedia Britannica
von 1913, einer schwer zerfledderten Ausgabe von
Schöne neue Welt
und einer Bibel. Im

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