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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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nennen.«
    »Meister?«
    »Die Tradition verlangt es.«
    Ich wiederholte das Wort ein paarmal im Kopf und es klang immer so, wie Sklaven ihre Besitzer anredeten: Massa.
    »Könnte ich Sie stattdessen nicht einfach Inspector nennen?«, fragte ich.
    »Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich Ihnen eine Lehrstelle anbiete?«, fragte er zurück.
    Ich nahm einen Schluck Bier und wartete. Nightingale lächelte noch einmal und trank ebenfalls einen Schluck. »Wenn Sie diesen besonderen Rubikon erst einmal überschritten haben, gibt es kein Zurück mehr«, sagte er schließlich. »Und ja, Sie dürfen mich Inspector nennen.«
    »Ich habe gerade gesehen, wie ein Mann seine Frau und sein Kind ermordet hat«, sagte ich. »Wenn es einen rationalen Grund dafür gibt, dann möchte ich ihn wissen. Wenn nur der geringste Anlass besteht zu vermuten, dass er für seine Taten nicht verantwortlich war, dann möchte ich es wissen. Weil wir nämlich nur dann verhindern könnten, dass so etwas noch einmal passiert.«
    »Das ist kein guter Grund, um diesen Job zu übernehmen«, sagte Nightingale.
    »Gibt es denn überhaupt einen guten Grund?«, fragte ich. »Ich will mitmachen, Sir, weil ich es herausfinden muss.«
    Nightingale prostete mir mit dem Glas zu. »Das ist ein besserer Grund.«
    »Und was geschieht jetzt?«, fragte ich.
    »Jetzt passiert nichts. Heute ist schließlich Sonntag. Morgen früh machen wir als Erstes dem Commissioner unsere Aufwartung.«
    »Guter Witz, Sir. Sehr komisch.«
    »Nein, im Ernst. Er ist der Einzige, der dazu autorisiert ist, die endgültige Entscheidung zu treffen.«
     
    New Scotland Yard, ursprünglich ein ganz gewöhnliches Bürogebäude, war in den 1960er Jahren von der Met angemietet worden. Seither waren die Büros der leitenden Beamten mehrmals neu möbliert worden, zuletzt in den neunziger Jahren, was im Hinblick auf Innenarchitektur sowieso das bei weitem miserabelste Jahrzehnt seit den Siebzigern war. Ich denke mal, das war auch der Grund, warum das Vorzimmer des Commissioners, immerhin der höchste Beamte der Met, eine trostlose Ansammlung von laminiertem Sperrholz und Schalenstühlen aus Polyurethan war. Damit sich die Besucher auch wirklich wohlfühlten, starrten die fotografischen Porträts der letzten sechs Polizeipräsidenten auf sie herab.
    Sir Robert Mark (1972   –   1977) blickte besonders missbilligend drein. Vermutlich war er nicht der Meinung, dass ich einen wertvollen Beitrag leistete.
    »Noch ist es nicht zu spät, die Bewerbung zurückzuziehen«, ermunterte mich Nightingale.
    Natürlich war es zu spät, aber das heißt nicht, dass ich mir nicht gewünscht hätte, ich wäre woanders. Üblicherweise sitzt ein Constable nur im Vorzimmer des Commissioners,wenn er entweder sehr tapfer oder sehr dumm gewesen ist, und ich hatte wirklich nicht den blassesten Schimmer, was auf mich zutraf.
    Der Commissioner ließ uns nur zehn Minuten warten, dann wurden wir von seiner Sekretärin hineingeleitet. Sein Büro war groß und mit demselben Mangel an Stil ausgestattet, der auch den Rest von Scotland Yard kennzeichnete, nur hatte man hier noch eine Extraschicht Paneele (Eiche-Imitat) draufgelegt. An einer Wand hing das Porträt der Königin und an einer anderen Wand das des ersten Commissioners, Sir Charles Rowan. Ich nahm so viel Paradehaltung an, wie ein Londoner Polizist nur zustande bringen konnte, und wäre beinahe zurückgezuckt, als mir der Commissioner die Hand reichte.
    »Constable Grant«, sagte er, »Ihr Vater ist Richard Grant, nicht wahr? Ich habe ein paar von seinen Platten, auf denen er mit Tubby Hayes spielt. Auf Vinyl natürlich.«
    Er wartete nicht auf meine Antwort, sondern schüttelte nun auch Nightingale die Hand und forderte uns mit einer knappen Bewegung auf, uns zu setzen. Noch so ein Mensch aus dem Norden, der einen felsigen Karrierepfad hinter sich und zunächst einen Einsatz in Nordirland absolviert hatte, wie er anscheinend für den Commissioner-Nachwuchs der Metropolitan Police inzwischen obligatorisch war   – vermutlich aufgrund der Annahme, dass der Umgang mit gewalttätigen Sektierern den Charakter festigt. Er trug die Uniform mit Würde, und sein Fußvolk hielt ihn nicht unbedingt für den totalen Kasper, womit er sich deutlich von einigen seiner Vorgänger unterschied.
    »Eine unerwartete Entwicklung, Inspector«, sagte der Commissioner. »Manche mögen das für einen unnötigen Schritt halten.«
    »Commissioner«, antwortete Nightingale bedächtig, »ich glaube,

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