Die Fluesse von London - Roman
schauen, was Sie aus den Räumen gemacht haben«, sagte er.
Molly schoss aus ihrem Sitz hoch, als Nightingale ins Zimmer trat, Lesley sprang auf, weil er ein höhergestellter Polizist war, und Beverley stand entweder aus jungfräulicher Höflichkeit oder zur Vorbereitung einer schnellen Flucht auf. Ich stellte ihm Beverley vor, die er einmal kurz kennengelernt hatte, als sie zehn war.
»Möchten Sie ein Bier, Sir?«, fragte ich.
»Danke«, antwortete Nightingale. »Sie dürfen mich ruhig Thomas nennen.«
Das würde ich auf gar keinen Fall tun. Ich reichteihm eine Flasche und lud ihn mit einer Handbewegung ein, sich auf die Chaiselongue zu setzen. Er setzte sich vorsichtig und kerzengerade an ein Ende; ich nahm am anderen Ende Platz. Beverley ließ sich mitten aufs Sofa plumpsen, Lesley saß in einer milden Form von Habachtstellung neben ihr und Molly zuckte ein paarmal wieder hoch, bis sie sich endlich auf der Sofakante niederließ. Den Blick hielt sie starr auf den Boden gerichtet.
»Das ist aber ein sehr großes Fernsehgerät«, bemerkte Nightingale.
»Es ist ein Plasma-Fernseher«, sagte ich. Nightingale nickte weise, während Beverley außerhalb seines Blickfelds die Augen verdrehte.
»Und – werden sie heutzutage ohne Ton geliefert?«, erkundigte sich Nightingale.
»Nein, ich habe ihn nur auf stumm gestellt.« Ich fischte die Fernbedienung vom Tisch und wir erlebten zehn Sekunden Lärmfolter, bis es mir gelang, die Lautstärke herunterzufahren.
»Der Ton ist sehr klar«, sagte Nightingale, »wie Privatkino.«
Wir saßen eine Weile schweigend da und genossen die Privatkinoqualität des Raumklangsystems.
Schließlich bot ich ihm ein Stück Pizza an, aber er erklärte, er habe schon gegessen. Er erkundigte sich nach Beverleys Mutter und erhielt die Auskunft, dass es ihr gut gehe. Danach trank er sein Bier aus und stand auf.
»Ich muss mich wieder auf den Weg machen«, sagte er. »Danke für das Bier.«
Wieder standen alle auf, und ich begleitete ihn zur Tür. Als ich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, hörte ichLesley erleichtert ausatmen. Sie ließ sich aufs Sofa zurückfallen. Beinahe hätte ich vor Schreck aufgeschrien, als Molly plötzlich mit raschelnden Kleidern an mir vorbei zur Tür hinausglitt.
»Irgendwie peinlich«, sagte Beverley.
»Du glaubst doch nicht, dass sie und Nightingale …?«, fragte Lesley.
»Äh«, antwortete Beverley. »Das wäre ja wohl total daneben.«
»Ich dachte, du bist mit Molly befreundet?«, fragte ich.
»Ja, schon, aber sie ist ein Geschöpf der Nacht«, sagte Beverley. »Außerdem ist er alt.«
»Nicht so wahnsinnig alt«, warf Lesley ein.
»Oh doch, das ist er«, sagte Beverley, aber so viele Anspielungen ich an diesem Abend auch noch machte, mehr wollte sie nicht dazu sagen.
7
Jahrmarkt der Puppenspieler
Es hatte damit angefangen, dass ich vor meiner Übungsstunde vergaß, das Mobiltelefon aus der Tasche zu nehmen. Ich bemerkte ein kleines, intensives Aufflackern, als ich das Werlicht hervorgebracht hatte, aber da ich das Licht erst seit zwei Tagen zuverlässig erzeugen konnte, hielt ich das kurze Aufflackern nicht für wichtig. Erst später, als ich Lesley anrufen wollte und keine Verbindung bekam, stellte ich fest, dass mein Handy kaputt war. Ich öffnete die Abdeckung und entdeckte die gleichen Sandspuren, die ich auch im Haus der Vampire gefunden hatte. Ich trug das Handy ins Labor hinunter und nahm den Mikroprozessor heraus. Der Sand rieselte auch aus der Plastikummantelung des Prozessors. Die Goldpins waren intakt, ebenso die Kontakte, aber das Silikonelement des Chips hatte sich aufgelöst. Die Schränke im Labor rochen stark nach Sandelholz und waren mit einer höchst erstaunlichen Ansammlung alter Laborgerätschaften gefüllt, darunter auch das Charles-Perry-Mikroskop. Alles war so präzise und ordentlich aufgeräumt, dass mir sofort klar war, hier waren keine Studenten am Werk gewesen. Ich nahm das Mikroskop heraus und entdeckte, dass die sandähnliche Pudersubstanz hauptsächlichaus Silikon bestand, aber auch gewisse Verunreinigungen enthielt, bei denen es sich, wie ich vermutete, um Germanium oder Galliumarsenid handelte. Der Chip für die Empfangssignal-Umwandlung schien oberflächlich intakt zu sein, wies aber auf der gesamten Oberfläche mikroskopisch kleine Korrosionsschäden auf. Das Muster erinnerte mich an Mr. Coopertowns Gehirn. Mein Handy unter dem Einfluss von Magie, dachte ich. Offenbar durfte ich keine Zaubersprüche
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