Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Bootes zu erreichen. Kaum hatte er denn auch seine Jolle daran befestigt und das arme Mädchen mit Hilfe einiger ihr beispringenden Matrosen an Deck gehoben, als die Maschine wieder zu arbeiten anfing und der ›Van Buren‹ – das war der Name des Dampfers – mit rauschenden Rädern seine Bahn stromauf verfolgte.
Kapitel 16
Langsam zogen die Männer mit ihrer traurigen Last heimwärts, Livelys Farm wieder zu. Übrigens waren sie von dieser gar nicht so weit entfernt, da, wie schon gesagt, der Hügel, welchem die Flüchtigen gefolgt, einen ziemlich starken Bogen machte. – Der Mulatte lag fast während der ganzen Zeit besinnungslos in der Decke, und nur manchmal, wenn eines der Pferde auf dem rauhen Boden einen Fehltritt tat, zuckte er zusammen und stieß einen Schmerzenslaut aus. Als sie sich der Farm näherten, hielten sie, um vor allen Dingen zu beraten, auf welche Art sie den Verwundeten am besten zum Hause brächten, ohne die Frauen dabei zu sehr zu erschrecken. Sander erbot sich zwar voranzureiten, Cook meinte aber, es wäre besser, wenn das einer von der Familie täte, und zwar niemand anderes als der alte Lively, da er selbst mit seinem blutigen Gesicht sie vielleicht noch mehr erschreckt hätte. Der Alte war damit auch vollkommen einverstanden, schulterte seine Büchse und wollte eben zu Fuß vorauswandern, als ihm Sander sein Pferd anbot, das er auch bestieg und nun rasch damit seinem eigenen Hause zutrabte. Unterwegs zerbrach sich aber James Lively senior gewaltig den Kopf, wie er es am klügsten anfange, die Frauen gleich von vornherein so zu beruhigen, daß sie nicht einmal erschräken, sondern augenblicklich wüßten, es wäre alles glücklich abgelaufen. Jene hatten nämlich noch vor dem Aufbruch der Männer gehört, daß die Diebe nicht unbewaffnet geflohen seien, was es denn auch außer allen Zweifel setzte, sie würden sich nur nach verzweifelter Gegenwehr gefangennehmen lassen. So gut und brauchbar nun aber auch der alte Mann im Walde oder überhaupt da sein mochte, wo es galt, kaltes Blut und eine mutige Stirn zu zeigen oder den Weg durch bahnlose Wildnisse zu finden, so sehr fühlte er sich hier außer seiner Sphäre, und es kostete ihn nicht geringe Mühe, eine nur irgend haltbare Anrede herauszuklügeln. Endlich war er jedoch damit im reinen und beschloß, ihnen vor allen Dingen zu sagen, daß sie sämtlich wohl und unverletzt seien, ihm auf dem Fuße folgten, den einen der Diebe gefangen brächten und den anderen ebenfalls noch vor Abend einzufangen gedächten. Damit mußte er sie vollständig beruhigen, und hierüber mit sich selbst einig, preßte er auch dem munteren Tierchen, das er ritt, die bloßen Hacken kräftig in die Seite denn der alte Mann ging wie immer barfuß und sprengte in kurzem Galopp den Hügel schräg hinab, an dessen Fuß er schon das helle Dach seines kleinen Hauses erkennen konnte. Die Frauen schienen aber die Rückkunft der Männer mit größerer Angst und Sorge erwartet zu haben, als diese vielleicht selbst glauben mochten; denn daß es einen ernsten Kampf galt, bewies ihnen schon der Umstand, daß sie alle nur vorhandenen Waffen mitgenommen hatten. Es ließ sich ja wohl denken, wie bei so ernster Verfolgung ernster Widerstand zu fürchten wäre. Diese Furcht wurde noch vermehrt, als sie jetzt den alten Mann allein zurückkehren sahen, und obgleich eine die andere beruhigen wollte, so eilten sie ihm doch sämtlich und in aller Hast entgegen, um das Schlimmste, was er sagen konnte, sogleich aus seinem eigenen Munde zu hören.
»Lively – um Gottes willen, was ist vorgefallen?« rief seine Frau und mußte sich an dem Türpfosten halten, um nicht in die Knie zu sinken. – »Wo – wo ist James?«
»Wo ist Cook, Vater? – Wo ist mein Mann?« rief die Tochter, eilte zum Pferde und ergriff des Vaters Hand. – »Wo habt Ihr, – großer, allmächtiger Gott, – hier ist Blut an Eurem Fuß, und hier auch – an Knie und Schenkel, – auch Eure Hand ist blutig! – Wo, um des Heilands willen, ist mein Mann?«
»Wo ist James, – wo ist der Fremde? Was ist mit den Dieben geschehen?« riefen erschreckt auch Mrs. Dayton und Adele.
Der alte Lively, der so von allen Seiten in einem Anlauf bestürmt wurde, daß er gar nicht zu Worte kam, vergaß natürlich auch jede Silbe von dem, was er zur Beruhigung der Frauen hatte sagen wollen, und vermehrte durch sein bestürztes Schweigen und Umherstarren nur noch die Angst und das Entsetzen der Frauen. Endlich aber, als ihm diese
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