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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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sie mußten mit dem ebenfalls beschädigten Steuerbord-Rad allein gegen den Strom anarbeiten. Hierdurch wurde der Bug aber natürlich gegen Backbord hinübergeworfen, was das Steuer außergewöhnlich anstrengte. Endlich, und noch mit einem starken Tau versehen, schien es genügend zu sein; die Maschine fing wieder an zu arbeiten, und wie ein verwundeter Leu, der traurig die zerschossene Pranke nachschleppt, so keuchte und ächzte das verletzte Boot schwerfällig stroman.
    Die Sonne hatte den Zenit schon überschritten, als sie Helena erreichten und dort landeten, um vor allen Dingen erst wieder ordentlich flußtüchtig zu werden. Tom Barnwell aber, der sich in peinlicher Ungeduld zehnmal ans Ufer gewünscht hatte, um zu Fuß schneller noch die Stadt zu erreichen und der Abfahrt des alten Edgeworth zuvorzukommen, war indes den ganzen Morgen bitteren Unmuts voll auf dem Hurrikandeck hin- und hergelaufen und hatte vergebens nach den zahlreichen vorbeitreibenden Flatbooten ausgeschaut. Eins sah aus wie das andere, und er konnte unmöglich erkennen, welches das sei, zu dem er gehörte.
    Einmal zwar glaubte er an mehreren nur dem Auge eines Bootsmannes bemerkbaren Kleinigkeiten und trotz des beginnenden Nebels die ›Schildkröte‹ zu erkennen, und er hatte schon die Hände trichterförmig an den Mund gelegt, um sie womöglich anzurufen. Da entdeckte er an Bord jenes Bootes eine Menge Kisten und zwischen diesen eine Frau, die, wie es ihm vorkam, geschäftig unter ihnen umherging. Das konnte ihr Boot also auch nicht sein, an Bord der ›Schildkröte‹ war keine Frau, und er hoffte jetzt nur, Edgeworth werde, vielleicht durch irgend etwas aufgehalten, Helena noch gar nicht verlassen haben.
    Darin sollte er sich freilich getäuscht sehen; das Boot war wirklich und, wie er später erfuhr, erst ganz kurze Zeit vor seiner Ankunft abgefahren, und als er hörte, daß der Alte eine Frau als Passagier mitgenommen hatte, wußte er auch gewiß, daß er sich in dem Boote damals nicht geirrt hatte. Hier half aber freilich kein langes Überlegen weiter, und er geleitete nun vor allen Dingen das arme Mädchen, das sich willenlos an seinen Arm hängte, so rasch wie möglich in das Union-Hotel und erzählte dort, um allen weiteren Fragen darüber auszuweichen, daß es seine Schwester sei, die von New Orleans heraufgekommen wäre. Hier aber hatte er noch mit einer und allerdings am allerwenigsten erwarteten Schwierigkeit zu kämpfen; denn Mr. Smart, der ihm in das Zimmer hinauf folgte und sich bald selbst von dem trostlosen Zustand der Unglücklichen überzeugte, erklärte ihm ganz frei und offen, daß er, was ihn selbst beträfe, das arme Wesen von Herzen gern bei sich aufnehmen und verpflegen würde, daß dieses aber weiblicher Pflege bedürfe und seine Frau jetzt so mit Geschäften überhäuft sei wie noch nie vorher. Sie befände sich deshalb auch keineswegs rosenfarbener Laune, und er versicherte dem jungen Manne, sie würde, wenn ihr das Mädchen so ohne weiteres aufgebürdet werden sollte, nicht allein aus Leibeskräften dagegen protestieren, sondern auch in diesem Departement, wo ihr Befehl vor allen anderen gelten mußte, ohne Umstände die Wiederentfernung der Kranken verlangen.
    »Aber wo, um Gottes willen, soll ich mit dem armen Wesen hin?« sagte Tom traurig, als er dem Wirt den wahren Verlauf der Sache erzählt hatte. »Das Boot ist fort, ich muß hinterherreisen, denn ich habe nicht allein mein ganzes kleines Vermögen, sondern auch alle meine Kleider dort an Bord, und dieses unglückliche Weib darf ich in ihrem Zustand ohne Schutz, ohne Freunde hier in einer fremden Stadt unmöglich zurücklassen. Ebensowenig kann ich sie aber mit mir nehmen; behaltet sie deshalb hier, mein guter Herr, und seid versichert, daß ich vielleicht schon in wenigen Tagen wieder zurück bin und Euch dann reichlich vergüten werde, was Ihr an ihr getan habt.«
    Ihr Gespräch wurde hier von außen her und auf etwas laute Weise unterbrochen; denn draußen auf dem Gange hörten sie plötzlich Mrs. Rosalie Smart, die eben in keineswegs freundlichen Ausdrücken dagegen eiferte, daß hier jeder ›lumpige Bootsmann‹ hereinfallen dürfe, um ihr seine Dirne ins Haus zu schleppen.
    »Schwester?« rief sie dabei, wahrscheinlich auf eine Entgegnung des Negers. »Schwester? – Was da Schwester, da könnte jeder kommen und seine Schwester bringen. Und noch dazu nicht recht bei Sinnen, – na, weiter fehlte mir gar nichts. Jetzt, wo ich Tag und Nacht nicht

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