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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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seinerseits ebenfalls überrascht war, Dame Breidelford in unverkennbarer Verlegenheit hier allein zu finden. Sein erster Verdacht fiel auf ein Liebesabenteuer, den verwarf er jedoch augenblicklich wieder als total unmöglich und konnte nur ein in aller Eile herausgestoßenes »Guten Morgen, Madame« vorbringen, als diese auch schon in voller Eile an ihm vorbeistürmte und der Stadt wieder zueilte. »Potz Zwiebelreihen und Holzuhren!« rief der Yankee lächelnd, als er stehenblieb und ihr erstaunt nachblickte. »Gewaltige Eile, Mrs. Breidelford, gewaltige Eile! – Wichtige Geschäfte wahrscheinlich; vielleicht wieder eine Freundin mit einem Besuch für einen ganzen Abend elend machen oder einen guten Namen vernichten oder auch einmal zur Abwechslung eine Frau gegen ihren Mann aufhetzen? – Wäre noch gar nicht dagewesen, oh, Gott bewahre! Was aber hat sie in aller Welt nur hier zu tun gehabt? Irgendeine Zusammenkunft? Oder war der Aufenthalt hier zufällig? Weshalb aber zeigte sie sich da so augenscheinlich verlegen?«
    Smart fing an, die Straße gerade da, wo er sie zuerst gesehen hatte, zu untersuchen, um vielleicht Spuren andern Schuhwerks darauf zu erkennen. Obgleich er aber die Fußstapfen eines Männerschuhs zu sehen glaubte, die sich hier und da abgedrückt zeigten, so war er doch zu wenig geübt, zu wenig Waldmann, um auf dem betretenen Wege etwas Genaueres darüber bestimmen zu können. Er schüttelte also ein paarmal gar bedeutsam den Kopf, schob seine Hände auf ihren alten Platz zurück, schritt wieder langsam weiter und fiel genau mit demselben Tone mitten im Liede wieder ein, wo er vorhin durch Mrs. Breidelfords Anblick unterbrochen worden war.
    Etwa eine Stunde später verließ die Dame zum zweiten Male an diesem Tage dieselbe Straße und eilte, ohne sich höchst ungewöhnlicherweise auch nur im mindesten um das zu kümmmern, was um sie her vorging, ihrem eigenen Hause zu. Am anderen Ende der Straße aber folgte ihr ein in die gewöhnliche Tracht der Landleute gekleideter Mann, den breiten Strohhut jedoch tief ins Gesicht gedrückt. Hinter ihm schloß sich bald darauf ihr Haus und wurde jetzt von innen fest verriegelt.

Kapitel 19
    Tom Barnwell hatte, wie schon früher erwähnt, seinen unglücklichen Schützling an Bord des ›Van Buren‹ gebracht und gab ihn hier, um aller lästigen Fragen überhoben zu sein, einfach für seine kranke Schwester aus, die er nach Helena zu Verwandten bringen wolle. Marie war dabei durch die vorangegangene Aufregung so erschöpft und angegriffen, daß sie, ohne auch nur die geringste Einwendung dagegen zu machen, alles mit sich geschehen ließ. Die Kammerfrau der Kajüte staunte allerdings, als sie das durch die Dornen und Zweige zerrissene Oberkleid sah, und mochte wohl nach dem stieren, an nichts haftenden Auge der Unglücklichen ihren wahren Zustand ahnen. Doch was kümmerte sich die Mulattin um den Zustand der Weißen? Sie hatte darauf zu sehen, daß ihre Kajüte, nicht das Hirn ihrer Passagiere in Ordnung sei, und sie bereitete ihr deshalb das Lager und überließ sie dann ihren eigenen wilden Phantasien und Traumgebilden.
    Der ›Van Buren‹ war ein wackeres Dampfschiff, einer der sogenannten Klipper, die nach St. Louis oder Louisville und Cincinnati einlaufen, gewöhnlich mit einer Tafel vorn, auf welcher die Zeit ihrer Fahrt mit großen, weitscheinenden Ziffern gemeldet wird. In der Tat grenzt auch die Schnelle, mit welcher diese Boote oft ungeheure Strecken, und zwar gegen die starke Strömung des Mississippi zurücklegen, ans Unglaubliche. So rühmte sich der ›Van Buren‹, auf seiner letzten Fahrt von New Orleans nach Louisville, eine Entfernung von 1350 englischen Meilen stromauf, nur eine halbe Stunde länger gebraucht zu haben als die ›Diana‹ – wobei er diese halbe Stunde auf einer Sandbank im Ohio festgesessen haben wollte –, und das war 5 Tage und 23½ Stunden. Der ›Van Buren‹ arbeitete denn auch diesmal gar wacker gegen die steigende Flut an, und hoch und gewaltig tanzten und schlugen die Wogen hinter ihm drein und brachen sich in trübem, gärendem Schaum. In wenigen Stunden hätten sie Helena erreichen müssen; gerade aber an jener schon mehrmals erwähnten runden Weideninsel war der Lotse, der den Ohio vielleicht gut genug kannte, den Mississippi aber zum ersten Mal, und zwar nach seinem ›Navigator‹ befuhr, zu nahe an die kleine Insel geraten und aufgelaufen und konnte trotz des gewaltigen und stundenlangen Arbeitens der

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