Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
weiß, wo mir der Kopf steht; jetzt, wo ich mich placken und quälen muß, um nur das Haus in Ordnung zu halten und die gesunden Gäste zu bedienen, ja, wo nur erst noch gestern mein Mädchen fortgelaufen ist, das mir diese Person, diese Mrs. Breidelford, abspenstig gemacht hat, jetzt soll ich auch noch Krankenwärterin werden? So? Oder will Mr. Smart das junge Ding vielleicht gar selber warten und pflegen? Nein, daraus wird nichts, aus dem Hause muß sie mir wieder, und das gleich; ich will doch sehen, wer hier Zimmer zu vergeben hat, Mr. Smart oder ich. Wenn er das besorgen will, so soll er auch die Wirtschaft führen und die Betten in Ordnung halten, und dann bin ich ganz überflüssig; – ich werde so schon mehr wie ein Dienstbote und Sklave behandelt. Hier will ich denn aber doch einmal sehen, wer –«
Das Weitere wurde unhörbar, denn Madame arbeitete sich in gewaltigem Eifer die Treppe hinauf, und es war augenscheinlich, daß sich die Aussichten, diese Sachen in Frieden und Freundschaft beizulegen, mit jeder Minute verringerten. »Ich will hinaufgehen und sie selbst darum bitten«, sagte Tom jetzt rasch und griff nach seinem Hute; »sie kann und wird mir's nicht abschlagen. Sie muß auch wissen, was sie dem eigenen Geschlecht schuldig ist und darf ihr Herz dem Mitgefühl nicht ganz verschließen.«
Er wollte hinaus, Smart aber, der sich bis jetzt das Kinn mit dem Zeigefinger und Daumen der rechten Hand sinnend gestrichen und starr dabei vor sich niedergesehen hatte, ergriff ihn rasch am Arm und sagte schnell: »Halt! Sie verderben die ganze Geschichte. – Meine Frau ist herzensgut, wir haben aber einen Fehler gemacht: dem Mädchen ist nämlich eine Stube angewiesen worden, ehe sie darum befragt wurde, und das vergibt sie nie. – Gehen Sie jetzt nachträglich zu ihr und bitten sie um etwas, was wir schon vorher als gestattet angenommen haben, so möchte ich Sie nur ersuchen, mich vorher etwa zweihundert Schritt fortzulassen; denn Sie bekämen das schönste Aufgebot, das man sich wünschen kann, und Ihre Bitte erfüllte sie nachher erst recht nicht. Darin kenne ich –«
»Aber, um Gottes willen, was sollen wir denn da tun?« rief Tom in Verzweiflung. »Sie sind der einzige Mensch hier in ganz Helena, dem ich diese Unglückliche anvertrauen möchte, und gerade Sie verweigern es. Oh, fürchten Sie ja nicht, daß ich etwa nicht wiederkäme und die Schuld abtrüge; Sie wissen nicht, wie teuer mir jenes arme Wesen einst war –«
»– meine Alte zu gut«, fuhr Smart fort. »Ein Mittel gibt es aber noch, und das wäre wenigstens eines Versuches wert.«
»Und das ist?«
»Ruhig, – lassen Sie mich machen, – warten Sie einmal!« Und er sah sich dabei im Zimmer um. – »Ja, das wird gehen. Springen Sie einmal zu dem Fenster da hinaus.«
»Aber, Mr. Smart!« sagte der junge Bootsmann erstaunt.
»Ja, ich kann Ihnen nicht helfen«, lächelte der Yankee; »wir müssen heute ein bißchen Komödie spielen. Springen Sie nur da zum Fenster hinaus und kommen Sie mir vor Abend nicht wieder ins Haus.«
»Das geht unmöglich!« rief Tom. – »Ich kann die Unglückliche nicht eher verlassen, bis ich sie sicher untergebracht weiß. Und – und was sollte ihr denn das auch nützen? – Ich muß erst wissen, was aus ihr wird.«
»Ja, dann müssen wir's unterlassen«, sagte der Yankee gleichgültig und schob die Hände wieder in die Taschen. »Das ist das einzige, was ich weiß; wenn Sie dafür keine Zeit haben, so tut es mir leid. – Vielleicht nähme sie Squire Dayton.«
»Wer ist Squire Dayton?«
»Der Friedensrichter hier im Orte. – Er ist verheiratet und hat auch ohnedies noch eine weitläufige Verwandte seiner Frau bei sich. – Vielleicht nimmt der sie ins Haus.«
»Glauben Sie, daß ich ihn jetzt finden kann?« fragte Tom schnell.
»Nein«, sagte der Yankee ruhig; – »der ist fortgeritten, und die beiden Damen sind auch nicht daheim.«
Tom ging unruhig ein paarmal im Zimmer auf und ab.
»Und hoffen Sie wirklich, daß Sie Ihre Frau dazu überreden können, die Unglückliche aufzunehmen?« sagte er endlich und blieb wie verzweifelt vor Smart stehen.
»Überreden? Nein«, erwiderte der Wirt. – »Es kann sich niemand auf dieser Welt rühmen, meine Frau zu etwas überredet zu haben; doch – ich bringe sie dazu, – ich hoffe es wenigstens, und das ist ja alles, was Sie wollen. Also – wenn's Ihnen gefällig wäre, – dort ist das Fenster –«
»Aber weshalb nur zum Fenster
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