Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
hinaus?«
»Weil Sie jetzt meiner Frau nicht draußen begegnen sollen. – Oh, Sie können wohl die fünf Fuß nicht herunterspringen!«
Tom wollte noch etwas erwidern, – bezwang sich aber, öffnete den einen Fensterflügel und drehte sich dann noch einmal gegen den Wirt um.
»Sir«, sagte er, – »wenn Sie nur ahnen könnten –«
Ein Schritt war auf dem Gange zu hören.
»Meine Frau«, sagte der Yankee einfach und machte dabei eine leise Verbeugung, als ob er dem jungen Manne jemanden, der eben in die Tür träte, vorstelle. Dieser verstand den Wink, legte, ohne weiter ein Wort zu erwidern, die rechte Hand auf das Fensterbrett und war mit einem Satze unten auf der Straße.
Keine drei Sekunden später ging die Tür auf. Mrs. Smart trat mit erhitztem Gesicht ins Zimmer. Diesmal hatte ihre Röte einen anderen, viel gefährlicheren Grund als andere Male. Smart aber ging plötzlich, die Hände auf dem Rücken, den Hut fast noch weiter nach hinten gedrückt als gewöhnlich, mit schnellen Schritten in der Stube auf und ab.
»Wer hat mir die Mamsell ins Haus –?« waren die ersten Worte, die sie sprach, und sie stemmte dabei, als ob sie ihren Grimm erst recht von unten heraufdrücken wollte, die Arme in die Seite. Selber unterbrach sie sich aber in ihrer Rede, als sie niemanden bei ihrem Manne bemerkte, wo sie doch gewiß glaubte, Stimmen gehört zu haben. »Mit wem sprachst du denn eigentlich eben hier?« sagte sie dann erstaunt und schaute sich überall um. »Ich weiß doch, daß ich jemanden reden hörte.«
»Wohl möglich«, erwiderte der Gatte kurz, ohne den Blick auch nur einmal auf sie zu heften; – »ich kann mit mir selbst gesprochen haben. Doch das ist einerlei, ich will nichts mit vagabundierendem Gesindel zu tun haben, und ich muß dich bitten, mein Kind, mich künftig, ehe du Gäste, das heißt solche Gäste, kranke Gäste ins Haus nimmst, davon zu benachrichtigen.«
Mrs. Smart blieb, ohne auch nur eine Silbe darauf zu erwidern, vor Verwunderung stehen.
»Es ist ganz gut, mildtätig zu sein«, fuhr der Wirt, ihr Erstaunen gar nicht beachtend, fort; – »ich will aber mit dem Bootsgesindel nicht zu tun haben. Niemand hat weiter Not und Sorge davon als ich, und niemand –«
»So?« fuhr jetzt plötzlich Mrs. Smart auf, denn Jonathan hatte eine Saite berührt, die jedesmal bei ihr einen rauschenden Anklang fand. – »So – der gestrenge Herr da hat Sorge und Not davon, wenn Gäste im Hause sind? Er kocht wohl das Essen oder hält Betten und Stuben rein? Oder besorgt Wäsche und sonstige Gegenstände, die zu Küche und Haus gehören? Hat nun je ein Menschenkind schon so etwas gehört? Wo aber kommt das Mädchen her? Wer hat sie mir ins Haus gebracht und was soll mit ihr geschehen?«
»– wird dann auch später einmal dafür verantwortlich gemacht«, sagte Jonathan, der, während sie sprach, ihr ruhig ins Auge gesehen hatte und nicht um die Welt einen einmal begonnenen Satz unvollendet gelassen hätte.
»Wer sie ins Haus gebracht hat, will ich wissen«, rief Mrs. Smart ärgerlich.
»Das kann uns gleichgültig sein«, entgegnete Jonathan, »ein junger Farmer aus Indiana war es; – es ist seine Schwester, und er ist fremd hier und meint, die Person müßte elend umkommen, wenn sich nicht eine rechtschaffene Frau ihrer annehme, weil er jetzt, um seinen Geschäften nachzugehen und sein Leben zu fristen, den Fluß hinab muß. Was geht das aber uns an? Ich kann hier kein krankes Geschöpf pflegen und – will die Umstände und den Spektakel auch nicht in meinem Hause haben.«
»Person – Geschöpf? Ja, das ist so die Art, wie die Herren der Schöpfung von einem armen Frauenzimmer reden, das nicht ein Seidenkleid an und einen Federhut auf hat«, – fiel ihm hier Mrs. Smart etwas pikiert in die Rede. – »Du brauchst auch kein krankes Geschöpf zu warten und zu pflegen; – das wäre auch die rechte Wartung und Pflege, die es bekäme. Wo ist denn aber der Musjö, der hier anderen Leuten seine Schwester ins Haus bringt?«
»Fort!« rief Mr. Smart in höchster Aufregung. »Fort ist er; – das ärgert mich ja eben so; zwingt mir die Person ordentlich auf, – sagt, ich hätte überhaupt darüber gar nichts zu bestimmen, das wäre der Hausfrau Sache, und Mrs. Smarts Edelmut wäre bekannt und noch mehr solchen Unsinn, und fort ist er nun, mitten in den Wald hinein, vielleicht nach Little Rock oder sonstwohin. Doch was geht das mich an? Macht er sich so wenig aus seiner kranken Schwester, daß
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