Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
bewerkstelligt wurde. Selbst nach Batesville liefen kleine Dampfer schon bei nur mäßigem Wasserstande.
Der Besitzer jener dicht am Ufer gelegenen ›Lots‹ schien auch geglaubt zu haben, seine Rechnung in der Bebauung des Platzes selbst zu finden; denn er errichtete dort ein ziemlich geräumiges Häuschen, lichtete den Wald um dieses herum und begann sogar ein in der Nähe gelegenes und ihm gehörendes Feld zu bebauen. Bald aber, wie es bei den westlichen Pionieren und Backwoodsmen gewöhnlich geschieht, fmg der Ort an, ihm zu mißfallen; Helena hatte sich nicht so rasch vergrößert, wie er es erwartete, und er verkaufte, kaum zum Betrag der darauf verwendeten Arbeitskosten, sein kleines Besitztum an einen früheren Bootsmann. Dieser ließ sich dort nieder, erhielt vom Richter die Erlaubnis, spirituöse Getränke – nach dem amerikanischen Gesetze nur nicht an Indianer, Neger und Soldaten – zu verkaufen, und mußte wohl auch ganz gute Geschäfte machen; denn er legte bald darauf noch ein Flatboot dicht an sein Haus an, das bei hohem Wasser mit diesem fast parallel stand, im Frühjahr aber tief unten auf dem Strome an langen Tauen befestigt lag, während eine in die Ufererde gestochene Treppe die Verbindung zwischen Land und Wasser unterhielt.
Allerdings wollte man in der Stadt ziemlich bestimmt wissen, es werde, besonders auf jenem Flatboot, nachts, und zwar um bedeutende Summen, gespielt.
Der Richter hatte aber schon mehrere Male mit dem Konstabler selbst ganz unerwartet Nachsuchung gehalten, ohne auch nur das mindeste Verdächtige zu bemerken, und da das Haus ziemlich getrennt von der Stadt lag und man das nächtliche Singen und Zechen dort nicht hören konnte, so kümmerte sich bald niemand mehr darum.
Der Wirt, der seine Bedürfnisse ebenfalls nur von Flat- oder Dampfbooten bezog, kam überdies selten oder nie nach Helena hinein, so daß ihn viele Bewohner der Stadt nicht einmal vom Ansehen kannten.
Der Nachmittag war jetzt ziemlich weit vorgerückt; trübe und düster lag er aber auf der niederen Sumpfstrecke, die sich fast nach allen Himmelsgegenden hin in weiter, ununterbrochener, trostloser Fläche ausdehnte.
Der Nebel, der bis dahin in einzelnen, noch zerrissenen Wolken bald hier, bald da hinüberdrängte und dann und wann kleine Strecken des Flusses, ja manchmal sogar bei einem etwas stärkeren Luftzuge das gegenüberliegende Ufer sichtbar werden ließ, hatte sich jetzt zu einer festen Masse verdichtet und lagerte ruhig auf der unheimlich unter ihm dahinschießenden Flut. Selbst der leise, noch nicht ganz erstorbene Wind vermochte nicht mehr auf ihn einzuwirken und konnte nur dann und wann einen wehenden Streifen von ihm losreißen und über das feste Land hinauspressen. Dieser Nebelfetzen durchzog es dann in weißen, durchsichtigen Wolken, um später, mit den Schwaden der Niederung vermischt, nur neue Kräfte in seinen rötlichen, ungesunden Dünsten zu sammeln und in das nebelgefüllte Strombett zurückzuführen.
Die Sonne selbst vermochte nicht durch die ihrem Lichte trotzenden Massen zu dringen, und ihre blutrote Scheibe stand strahlenlos und düster am Firmament. – Die ganze Mittagszeit hindurch hatte sie den Titanenkampf gegen die ineinandergepreßten Schwaden gekämpft, doch vergebens, und jetzt schien es fast, als ob sie voll zornigen Unwillens das unerfreuliche Ringen aufgebe und ernst und mürrisch in ihr waldumschlossenes Lager niedersteige. Brach sich dann die Abendluft nicht Bahn und zerstreute diese nicht mit starkem Hauch den stämmigen Feind, dann konnte die Nacht wohl schwerlich seine Massen bewältigen. Feuchter Nachttau und der Atem der schlummernden Erde nährten ihn mehr und mehr, so daß er sich noch nach allen Seiten ausbreitete und zuletzt sogar den Wald bis zum Rande mit milchweißem Schaum erfüllte, was ihm am Tage nicht möglich gewesen war.
Das dicht am Ufer stehende kleine Haus befand sich ebenfalls im Bereiche dieser Schwaden oder doch wenigstens so dicht an der Grenze derselben, daß bei jedem nur leise herüberwehenden Luftzug der ganze Drang des Nebels sich über das Gebäude hinwälzte und es förmlich umhüllte. Wenig schien das aber die darin versammelte lustige Schar von Bootsleuten zu kümmern, deren Lärmen und Johlen nur einmal, und selbst da nur auf Sekunden, unterbrochen werden konnte, als ein augenscheinlich nicht zu ihnen gehörender, sehr modern und elegant gekleideter Mann eintrat und rasch, ohne links oder rechts zu sehen, den
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