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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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her, da kam er herein, – ging zu Missus hinauf, blieb ein paar Augenblicke oben und wäre dann beinahe die Treppe wieder heruntergefallen. Unten setzte er sich auf die Stufen hin und weinte, als ob ihm das Herz brechen wollte. Weil ich mich vor ihm fürchtete, schickte ich den neuen Nigger zu ihm, den Massa gestern mitgebracht hat. Von dem wollte er aber gar nichts wissen, steckte den Kopf fest unter die Arme – er schämte sich wahrscheinlich, weil er weinte – und rührte und regte sich nicht. Erst als Bolivar wieder fort war, stand er auf, drückte sich den Hut fast bis in die Augen hinein und verließ rasch das Haus, – keine zwei Minuten, ehe Massa kam.«
    »Sind die Damen oben?« fragte der Squire jetzt, ohne des fremden Burschen weiter zu gedenken.
    »Miß Adele ist zu Mr. Smart gegangen«, erwiderte Nancy; »Missus ist aber oben. Soll ich –«
    »Laß nur«, sagte der Squire und stieg langsam die Stufen hinauf; »sollte jemand kommen und nach mir fragen so mag er hier im Zimmer warten. – Ich bin gleich wieder unten.«
    Der Friedensrichter Helenas, der blutige Piratenhäuptling des Mississippi, betrat das Gemach seines braven, unschuldigen Weibes, das keine Ahnung hatte, welche Verbrechen die Brust barg, die ihr Liebe vorgelogen und ihr reines Herz an sich zu fesseln gewußt hatte.
    Das Zimmer war leer. – Hedwig saß während Adeles Abwesenheit oben am Bett der armen Marie. Dayton aber blieb an der Tür stehen und ließ die Augen sinnend in dem kleinen, friedlichen Raum umherschweifen, wo er alles, alles besaß, was ihn zum Glücklichsten der Menschen hätte machen können, alles, was das Herz eines braven, rechtlichen Mannes mit Stolz erfüllen mußte. Aber der Ehrgeiz hatte die scharfen, giftigen Krallen in seine von wilden Leidenschaften durchwühlte Brust gehauen, kalte Berechnung allein leitete seine Handlungen, und das Heiligste opferte er rücksichtslos dem eigenen Ich. Wohl gibt es Tausende wie ihn, Menschen mit eisernem Herzen, die ebenso kalt und entsetzlich in das Leben hineingreifen und alles andere rücksichtslos unter die Füße treten, wenn sie nur für sich jede Lust, jede Befriedigung ihrer Wünsche erlangen können; aber der kecke, tollkühne Mut fehlt ihnen, den der Piratenhäuptling in so entsetzlichem Maße besaß. Sie strecken die spitzigen, behandschuhten Finger vorsichtig aus, daß sie nirgends anstoßen, und nur dann, wenn sie sich vollkommen unbeachtet wissen, zeigen sie sich in ihrer wahren Gestalt. Und die Welt ehrt sie; das Gesetz schützt sie; denn es ist ihm gegen sie ja nichts bekannt geworden. Dennoch fluchen ihnen zahllose Unglückliche, die sie elend gemacht haben; die Verwünschungen der Witwen und Waisen heften sich an ihre Sohlen, und Schätze und Reichtümer, in verzweiflungsvoller Stunde an fromme Stiftungen hinausgeschleudert, können nicht die feige Angst der letzten Augenblicke betäuben.
    Anders war es mit dem Führer jener gesetzlosen Schar; seine Rechnung mit dieser Welt hatte er abgeschlossen und ruhig und fest sein Fazit gezogen. Er scheute weder den Tod, noch achtete er das Leben. Deshalb aber war er gerade so entsetzlich, so fürchterlich gewesen; denn die Gesetze der Menschen konnten ihn nicht mehr schrecken, Glaube und Schwur an das Heiligste ihn nicht mehr binden. Fest und bestimmt ging er seine verbrecherische Bahn, und wie auf dem Brett die Schachfiguren, so stellte und benutzte er die Menschen zu seinen Zwecken und Plänen, – nur dann um sie besorgt, wenn ihr Verlust ihm selber schaden konnte.
    Und jetzt, als er so dastand und wilde Szenen des Bluts und Entsetzens vor seinem inneren Auge vorüberglitten, schweiften seine Blicke, im Anfang fast unbewußt, über den kleinen freundlichen Raum hin, der ihn umschlossen hielt. Mehr und mehr aber hafteten sie an den einzelnen Gegenständen; die Gegenwart erzwang sich den Eintritt in sein Herz, und zum ersten Male vielleicht seit langer Zeit durchzuckte ihn ein Gedanke an das, was er sein könnte, an das, was er war. Hier – hier wohnten Liebe und Treue; hier schlug ein Herz für ihn, das ihm mit freudigem Lächeln in Not und Elend gefolgt wäre; hier atmete ein Wesen, das nur in ihm seine Seligkeit kannte. Und er –?
    Die Sonne schien warm und freundlich in das trauliche Gemach; sie hatte die finsteren Nebelschatten überwunden und spielte jetzt in funkelnder Luft mit den Staubkörnchen, die der Schritt des finsteren Mannes aufgeregt hatte, legte sich über die bunten Farben des Teppichs hin,

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